Salzburger Nachrichten

Betteln ist ein Menschenre­cht

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Herr Dr. Schiecke beklagt in seinem Leserbrief (SN vom 13. 11.) das „Bettel-Unwesen“in der Stadt Salzburg, das er „an jeder Straßeneck­e“antreffe. Das wirft die Frage auf, inwieweit es den großteils gut situierten Bürgern, den gut zahlenden Gästen oder auch den vielen asiatische­n Tagestouri­sten („Europa in zehn Tagen“) zumutbar ist, mit einem anderen Europa konfrontie­rt zu werden, in dem viele bitterarme Menschen keinen anderen Ausweg sehen, als in reichen Städten „im Westen“um Almosen zu betteln.

Auch ich fühle mich irgendwie unwohl, bettelnde Frauen und Männer auch bei unwirtlich kaltem oder regnerisch­em Wetter sitzen zu sehen. Wenn ich ihnen, wie es viele andere auch tun, etwas Geld zustecke, ist es mir egal, ob und wie sie „organisier­t“sind, ich habe in jedem Fall einen armen bedauernsw­erten Menschen vor mir. Ist er für die Nacht versorgt oder muss er diese in einem „Bettlerlag­er“unter einer Brücke oder sonst wo verbringen? Dass es sich um EU-Bürger handelt, zeigt nur, welch riesiges soziales Gefälle sich innerhalb dieser reichen Gemeinscha­ft auftut.

Gemäß einem Urteil des Verfassung­sgerichtsh­ofs widerspric­ht ein uneingesch­ränktes Bettelverb­ot dem Artikel 10 der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion. Menschen müssen die Möglichkei­t haben, öffentlich an die Hilfsberei­tschaft anderer zu appelliere­n. Mit anderen Worten: Betteln ist ein Menschenre­cht.

Herr Dr. Schiecke überlegt, ob er nochmals nach Salzburg kommen möchte. Er sollte es bleiben lassen und lieber in dem sicher idyllische­n und garantiert bettlerfre­ien Moosburg in Kärnten bleiben. Erhard Sandner,

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