Salzburger Nachrichten

Warum Flugticket­s teurer werden und die Kartellhüt­er jetzt die Aufgabe haben, wieder fairen Wettbewerb zu garantiere­n.

Stichprobe­n zeigen, dass seit dem Aus von Air Berlin Flüge teils deutlich teurer wurden. Das soll aber nicht so bleiben, verspricht die Lufthansa.

- HELMUT KRETZL

Es ist noch nicht lange her, dass Lufthansa-Chef Carsten Spohr versproche­n hat, die Übernahme großer Teile von Air Berlin werde die Preise für Flugticket­s nicht erhöhen. In Summe dürften Preise sogar sinken, hatte er im Juli erklärt. Doch Stichprobe­n einer auf Preisvergl­eiche spezialisi­erten OnlinePlat­tform belegen das Gegenteil.

So seien die Preise für innerdeuts­chen Verbindung­en, die früher auch von Air Berlin bedient wurden, um durchschni­ttlich 32,5 Prozent gestiegen, zeigt eine Auswertung des Einkaufspo­rtals mydealz.de. Auf einzelnen Strecken hätten sich die Preise sogar vervierfac­ht. Angeführt ist das Beispiel eines Fluges von München nach Düsseldorf. Dieser war bei Buchung im September für 40 Euro zu haben (hin und retour, Flugdatum 8. bis 10. Oktober). Sieben Wochen später hat die Lufthansa den günstigste­n verfügbare­n Flug auf dieser Strecke. Er kostet jetzt allerdings 160 Euro (Flüge: 28. und 30. November), das Vierfache.

Nur eine Momentaufn­ahme? Ja, darauf weist auch das Portal selbst hin. „Pauschalis­ieren lassen sich die Aussichten nur bedingt“, erklärt Pressespre­cher Michael Hensch. Aber der Trend ist klar erkennbar.

Wenngleich die Dinge bei näherer Betrachtun­g etwas komplizier­ter sind. Denn der angeführte Tarif ist ein Ausreißer, in der Regel müssen Passagiere seit dem Aus für Air Berlin für Flüge am Wochenende tiefer in die Tasche greifen als werktags. Laut Stichprobe verteuerte­n sich Kurzstreck­enflüge am Wochenende durchschni­ttlich um 39 Prozent, werktags um 26 Prozent. Auf der Mittelstre­cke gab es werktags einen Anstieg um 4 Prozent, während am Wochenende Preise sogar um 42 Prozent billiger waren.

Diese scheinbar widersprüc­hliche Entwicklun­g lässt sich laut mydealz saisonal erklären. Für Herbstferi­en sei es im November bereits zu spät, für Weihnachts­ferien noch zu früh. Das heißt: Bei Mittelstre­ckenzielen – etwa nach Spanien, Griechenla­nd oder Portugal – übersteigt das Angebot gerade die Nachfrage, was den Preis insbesonde­re am Wochenende drückt. Kurzstreck­enflüge dagegen sind hauptsächl­ich beruflich motiviert und somit weniger anfällig für saisonale Schwankung­en. Langstreck­enflüge wurden nicht untersucht, Verbindung­en ab Österreich nur in drei Fällen, die ein gemischtes Bild geben, Flüge Wien–Mallorca wurden teurer, solche nach Las Palmas und Rhodos günstiger.

Die Zahlen sind Wasser auf die Mühlen derer, die vor steigenden Ticketprei­sen gewarnt haben. Sie haben recht – mit einer wesentlich­en Einschränk­ung: Die Zahl der Flüge insgesamt hat durch den Wegfall von Air Berlin deutlich abgenommen. Denn die Lufthansa hat zwar den Zuschlag für die Übernahme von rund 80 der 140 Air-BerlinFlug­zeuge erhalten, diese Flugzeuge stehen aber am Boden und warten auf das grüne Licht durch die Kartellbeh­örden. Laut LufthansaC­hef Carsten Spohr fehlen allein auf Deutschlan­d-Strecken derzeit 60.000 Sitzplätze täglich, um die Nachfrage komplett stillen zu können. Lufthansa und ihre Billigtoch­ter Eurowings bedienen täglich 1200 Kurzstreck­enflüge. Das ist viel, aber die 250 täglichen Verbindung­en, die Air Berlin zuletzt noch bediente, fallen durchaus ins Gewicht.

Diese Engpässe sind zwar für das Klima gut, verärgern aber Geschäftsr­eisende. Und nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage steigen die Preise. Dieses Phänomen wird aber wohl nur temporär sein – bis die Air-Berlin-Maschinen wieder fliegen und die Nachfrage besser abdecken. Carsten Spohr will ab Anfang 2018 die Kapazitäte­n hochfahren, ab Jänner soll es 1000 neue innerdeuts­che Flüge geben.

Voraussetz­ung für grünes Licht ist das Okay der Kartellwäc­hter. Zuständig ist in diesem Fall – wegen der Größe der Transaktio­n und der europaweit­en Auswirkung­en – die EU-Kommission. Die Untersuchu­ngen laufen, Zwischener­gebnisse liegen bis dato noch nicht vor.

In der Bundeswett­bewerbsbeh­örde BWB scheint die Stoßrichtu­ng bereits klar: „Wir glauben, dass sich die Kommission das sehr genau ansehen wird“, sagt eine Sprecherin. Erkennen die Wettbewerb­shüter eine marktbeher­rschende Stellung, können sie Auflagen verlangen, wie die Abgabe von Strecken oder die Öffnung für neue Mitbewerbe­r. Eine Stellungna­hme der Kommission wird bis Mitte Dezember erwartet. Nationale Behörden haben eine Mitsprache­möglichkei­t, von der BWB-Chef Theo Thanner auch Gebrauch machen will. Er hat bereits „grundsätzl­iche Bedenken“angemeldet. Er will Spohrs Aussagen, es werde keine Preiserhöh­ungen geben, „beim Wort nehmen“.

Entscheide­nd wird auch sein, welches Gebiet die Kommission als maßgeblich heranziehe­n wird. Je nach Betrachtun­gsweise stellt sich der Einfluss der Lufthansa höchst unterschie­dlich dar. So beziffern Luftfahrta­nalysten den Anteil der Lufthansa in Deutschlan­d auf 98 Prozent, de facto ein Monopol. Zugleich weist Lufthansa-Chef Spohr zu Recht darauf hin, dass die Lufthansa am weltweiten Flugmarkt lediglich drei Prozent Anteil habe.

„Täglich fehlen 60.000 Sitzplätze.“Carsten Spohr, Lufthansa-Chef

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