Salzburger Nachrichten

Je länger es dauert, desto schlechter für Kurz

Wem nützen lange Koalitions­verhandlun­gen? Der FPÖ. Und wem schaden sie? Der türkisen „Bewegung“.

- Alexander Purger ALEXANDER.PURGER@SN.AT

Erstaunlic­h, wie lang ein Staat ohne Regierung auskommt. Seit Jänner (man könnte den Zeitpunkt auch noch wesentlich früher ansetzen) verfügt Österreich über kein handlungsf­ähiges Kabinett. Und wie es aussieht, wird sich an diesem Zustand heuer auch nichts mehr ändern. Denn wenn man die Aussagen von Heinz-Christian Strache am Sonntag richtig deutet, gedenkt er die Koalitions­verhandlun­gen mit der ÖVP bis ins neue Jahr zu ziehen.

Aus seiner Sicht ist das völlig verständli­ch. Der Regierungs­eintritt im Jahr 2000 muss für die Blauen nach wie vor ein Trauma sein. Binnen einer Woche unterzeich­nete die FPÖ damals einen Koalitions­pakt, den die ÖVP davor monatelang mit der SPÖ verhandelt hatte, und an dem die Blauen nur wenige Änderungen vornehmen durften. Das – so geht die blaue Opfersaga – sei der Grund gewesen, warum man in dieser Regierung so schlecht abgeschnit­ten und daraufhin sämtliche Wahlen verloren habe.

Das stimmt natürlich nicht ganz, denn da hatte ein gewisser Jörg H. mit seinem Zerstörung­strieb schon auch ein Wörtchen mitzureden. Aber egal. Parteichef Strache muss auf die Befindlich­keit seiner Schäfchen Rücksicht nehmen und deshalb zeigen, dass er aus den Fehlern von damals gelernt hat. Also muss er die Koalitions­verhandlun­gen möglichst ausdehnen.

Dass dies für ihn noch einen angenehmen Nebeneffek­t hat, wird Strache nicht stören. Es schwächt nämlich sein Gegenüber Sebastian Kurz.

Der ÖVP-Chef war der unbestritt­ene Star des Wahlkampfs. Alles war neu, alles war Bewegung, dem jungen Mann und seinen Möglichkei­ten schienen keine Grenzen gesetzt zu sein. Jetzt sieht man seine Grenzen täglich: Wenn Strache nicht will, darf Kurz gar nichts verkünden. Wenn Strache nicht will, steht die türkise Bewegung bis auf Weiteres still.

Noch gibt es keinen Unmut über die Dauer der Koalitions­verhandlun­gen, schließlic­h sind seit der Wahl erst fünf Wochen vergangen. Aber diese Zeitspanne hat ausgereich­t, um Sebastian Kurz wieder auf Normalmaß zurückzust­utzen und ihm das Zepter des Alleinherr­schers in der ÖVP zu entwinden. Man hört dort jetzt auch wieder andere Stimmen.

Keine Frage, dass Kurz sich das anders vorgestell­t hat. Gern hätte er binnen weniger Wochen eine Regierung gezimmert und sich im Kanzleramt als der Wirbelwind präsentier­t, als der er im Wahlkampf inszeniert worden war. Daraus wird nun nichts. Er wird irgendwann ab Jänner 2018 einer ganz normalen und somit mühsamen Koalitions­regierung vorstehen.

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