Für eine bunte, chancenreiche Stadt
Wir dürfen nicht zulassen, dass ein wachsender Teil unserer Bevölkerung ins gesellschaftliche Out wegdriftet.
Wien ist in: In der Bundeshauptstadt leben heute 190.000 Menschen mehr als vor zehn Jahren. Ein Ende des Zuzugs ist nicht abzusehen. Die Stadt ist bunt und vielfältig. Mehr als ein Drittel der Wiener Bevölkerung, nämlich 35 Prozent, ist im Ausland geboren. Mehr als ein Viertel, nämlich 27 Prozent, hat einen ausländischen Pass. Jeder zweite Wiener hat Migrationshintergrund, ist also entweder selbst nicht in Österreich geboren oder hat zumindest einen im Ausland geborenen Elternteil. Das geht aus dem vierten Integrationsmonitor hervor, den die Stadt Wien erstellt und vor Kurzem präsentiert hat.
Das Anwachsen der Bevölkerung stellt nicht nur die Wohnungspolitik vor Herausforderungen, es tun sich auch soziale Probleme auf. Mehr als das: Die Gefahr ist groß, dass sich in Wien eine Zweiklassengesellschaft entwickelt. Eine Gesellschaft, die zerfällt in jene, die eine Ausbildung, einen Job, ein Arbeitseinkommen, ein selbstbestimmtes Leben haben. Und in jene, die all das nicht haben. Dass eine solche Zweiklassengesellschaft der beste Nährboden ist für soziale Unruhen, Radikalisierung, steigende Kriminalität und sonstige unschöne Dinge, bedarf keiner Erwähnung.
Einige Fakten aus dem Integrationsmonitor legen nahe, dass die drohende Zweiklassengesellschaft nicht von der Frage der Zuwanderung losgelöst werden kann:
Die Menschen in die Gesellschaft holen
Bei jungen Menschen mit türkischen und serbischen Wurzeln liegt der Anteil jener, die weder in Ausbildung noch in Beschäftigung stehen, bei rund 20 Prozent. Bei jungen Frauen aus dieser Herkunftsgruppe beträgt diese Quote sogar 29 Prozent. Von den jungen Österreichern sind nur sieben Prozent ohne Beschäftigung und Ausbildung.
38 Prozent der Zugewanderten aus Drittstaaten (also außerhalb des EU- und EFTA-Raums) haben höchstens einen Pflichtschulabschluss, bei Österreichern ohne Migrationshintergrund sind es nur neun Prozent. „Es gibt nach wie vor wenig Aussicht auf einen weiteren Bildungserwerb für jene Zugewanderten, die mit geringer Bildung und nach dem Pflichtschulalter zuziehen“, merkt dazu der Integrationsmonitor kritisch an.
21,5 Prozent der Drittstaatsangehörigen bezogen Mindestsicherung. Von den Österreichern ohne Migrationshintergrund nur neun Prozent.
Unter den Drittstaatsangehörigen, die zuletzt nach Wien zugewandert sind und hier Mindestsicherung beziehen, waren fünf Mal mehr Männer als Frauen.
Die Erwerbsquote von erst in jüngerer Zeit zugewanderten Drittstaatsangehörigen weist sinkende Tendenz auf, sie beträgt derzeit 56 Prozent. Bei den Österreichern ohne Migrationshintergrund beträgt die Erwerbsquote 78 Prozent.
So viel zu den Fakten aus dem Integrationsreport. „Wie alle Weltstädte lebt Wien von der Vielfalt seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Eine Vielfalt von Lebensweisen, Sprachen, Wissen, Erfahrungen, unterschiedlichsten Lebensgeschichten“, schreibt der verantwortliche Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) im Vorwort, und mit dieser Feststellung hat er uneingeschränkt recht. Eine lebendige Metropole kann sich nicht abschotten. Ein wenig zu optimistisch erscheint freilich ein weiterer Satz aus Czernohorszkys Vorwort: „Die Stadt Wien hat diese Herausforderung gemeinsam mit den Wienerinnen und Wienern solidarisch und mit viel Engagement bewältigt.“Klingt gut und politisch sehr korrekt, stimmt aber nicht so ganz, wie aus den erwähnten Fakten des Integrationsmonitors hervorgeht.
Integration bedeutet nicht, schlecht qualifizierte Zugewanderte mit Sozialleistungen ruhigzustellen und hinzunehmen, dass fast ein Drittel der jungen Frauen (und viel zu viele junge Männer) aus der Zuwanderergesellschaft keiner geregelten Tätigkeit nachgehen. Diese Menschen müssen in die Mitte der Gesellschaft geholt werden. Mit Schulungen, mit Arbeitsmöglichkeiten – und notfalls auch mit sanftem Druck, wozu beispielsweise die von der Wiener Stadtregierung als neoliberales Teufelszeug verpönte Deckelung der Mindestsicherung beitragen könnte.
Ein solcher Denkansatz wird oftmals als soziale Kälte denunziert, ist aber das genaue Gegenteil. Bildung und Arbeit sind die Schlüssel zur Teilhabe an unserer Gesellschaft. Wir dürfen nicht zulassen, dass ein wachsender Teil unserer Bevölkerung ins gesellschaftliche Out wegdriftet.