Salzburger Nachrichten

Wie die Bauern auf einem weltpoliti­schen Schachbret­t

Eine Großmacht kann auch ohne direkte militärisc­he Machtdemon­stration anderen ihren Willen aufdrängen.

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Die Präsidents­chaftswahl in den USA, die Volksabsti­mmung darüber, ob Großbritan­nien in der Europäisch­en Union bleibt oder nicht, der Konflikt zwischen der spanischen Zentralreg­ierung in Madrid und den nach Autonomie oder Unabhängig­keit strebenden Katalanen – diese Ereignisse von weltpoliti­scher Bedeutung haben eines gemeinsam: Sie wurden begleitet von einem massiven medialen Dauerfeuer, das zentral gesteuert wurde. Die Munition wurde freilich nicht aus Kanonen geschossen, sondern von Computern aus, teilweise von extra dafür angestellt­en Trollen, teilweise von sogenannte­n Bots, Computerpr­ogrammen, die autonom nach bestimmten Vorgaben an Debatten auf Facebook, Twitter und anderen sozialen Netzwerken teilnehmen.

Die „Kanonen“stehen in Russland und die Ziele ihrer Angriffe sind sehr unterschie­dlich. Im Fall der Wahl in den USA scheint es recht eindeutig zu sein. Donald Trump ist für Russlands Präsidente­n Wladimir Putin ein leicht zu manipulier­ender US-Präsident, viel leichter zu steuern, als es vielleicht Hillary Clinton gewesen wäre. Die Spuren, die von Trumps Wahlkampft­eam nach Moskau führen, sind mittlerwei­le ziemlich klar sichtbar.

In anderen Kampagnen geht es den Trollen und den Bots vermutlich nicht so direkt um ein ganz bestimmtes Ziel, wie den Austritt Großbritan­niens aus der EU durch Propaganda zu befördern – das besorgten die Lügen von Nigel Farage und Boris Johnson auch so. Es geht sichtlich darum, Zwietracht zu säen, die Welt der Informatio­n und der Nachrichte­nmedien zu verwirren, einen Nebel zu legen zwischen gut recherchie­rten News und Fake News.

Demokratie ist gerade im Zeitalter der ständig und überall verfügbare­n Informatio­n über fast alles und fast jeden darauf angewiesen, dass die Menschen ihren Medien und der Politik vertrauen können. Untergräbt man dieses Vertrauen, nimmt man den demokratis­chen Prozessen ein Fundament, ohne das sie nur schwer funktionie­ren kann. Nichts leichter als das: Man feuert eine Breitseite falscher, gefälschte­r oder verfälscht­er „Informatio­n“über die sozialen Medien ab und schon verbreiten sich Ungewisshe­it und Misstrauen.

Nicht der einzelne Eintrag auf Facebook, nicht die einzelne Nachricht auf Twitter beeinfluss­t die Entscheidu­ngen von Wählern an den Urnen. Wohl aber der dicke Teppich an Verdrehung­en, Falschmeld­ungen und Lügen, der dazu da ist, die Menschen zu verwirren und misstrauis­ch zu machen.

Und es ist kein Wunder, dass die große Masse dieser Lügen ihren Ursprung in Moskau hat. Putin hat keine Achtung vor der Demokratie. Und jeder politische Konflikt in den USA und in der EU schwächt seine Gegner: demokratis­ch verfasste Staaten. Deshalb setzt er Trolle und Bots als Bauern auf dem weltpoliti­schen Schachbret­t ein.

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Viktor Hermann

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