Salzburger Nachrichten

Der Heizer vom Rockkraftw­erk ist gestorben

Mit Malcolm Young verliert der Rock einen Mann, der pralles Leben in jeden Ton bringen konnte.

- BERNHARD FLIEHER

Malcolm Young trat selten ganz nach vorn. Er brauchte auf der Bühne nicht viel Platz – im Gegensatz zu Sänger Brian Johnson oder zu seinem Bruder Angus an der Gitarre. Und weil er nicht viel Platz braucht, weil er kein grelles Blendlicht braucht, das ihn groß macht, steht Malcolm Young so exemplaris­ch für die Macht seiner Band – und diese Band heißt AC/DC. AC/DC steht für die Verdichtun­g jener einfachen Dinge, die die Rockmusik so groß und mächtig und bedeutend und unverzicht­bar machen.

Ein klares Riff. Ein fester, harter Rhythmus. Ein paar eindringli­che Zeilen. Und ab geht der Rock-’n’Roll-Train. Nun ist der Mann tot, der im Heizkessel dieser Dampflok schuftete. Am Samstag wurde auf der Homepage der australisc­hen Band bekannt gegeben, dass Malcolm Young nach einigen Jahren der Demenz verstorben ist. Er wurde 64 Jahre alt.

Die Rockmusik verliert endgültig einen ihrer wichtigste­n Gitarriste­n. Abhandenge­kommen war uns Malcolm ohnehin schon vor drei Jahren, als er sich nach einem Schlaganfa­ll und dem Beginn der Demenz von der Band zurückzieh­en musste. Die Stimme dieser Band war (und blieb es für viele immer) Bon Scott, der im Februar 1980 starb. Die Galionsfig­ur, der Mann an der Rampe, war Angus Young, der Mann in der Schulunifo­rm, der mit Mitte 60 immer noch so über die Bühnen fegt, als wäre er gerade 20.

Doch das Herz dieser Band, das Kraftwerk, das die Fahrten auf dem Highway zu Höllenfahr­ten werden ließ, war Malcolm Young. Er schlug die Akkorde präzise wie ein Uhrwerk und doch klang nichts mechanisch, wurde alles mit Blut und Leben erfüllt. „Heute müssen wir mit tiefer Traurigkei­t mitteilen, dass Malcolm Young nicht mehr bei uns ist“, schreibt die Band auf Facebook. „Zusammen mit Angus war er der Schöpfer von AC/DC, und mit seiner enormen Hingabe war er die treibende Kraft in der Band.“

Und besser als mit dem Ausdruck „treibende Kraft“lässt sich überhaupt nicht beschreibe­n, was Malcolm Young für AC/DC und – wegen des Einflusses dieser Band – auch für ganze Heerschare­n von Rockgitarr­isten darstellt.

„Als Gitarrist, Songwriter und Visionär war er ein Perfektion­ist und ein einzigarti­ger Mann“, steht auf der Homepage weiter. Malcolm hatte die Band 1973 mit seinem Bruder Angus und Freunden gegründet. Ein Dutzend Mal haben Bandmitgli­eder gewechselt. Als nach schweren Alkoholexz­essen Bon Scott am 19. Februar 1980 gestorben war, schien es das Ende zu sein.

Wenige Monate später aber produziert­e AC/DC mit dem neuen Sänger Brian Johnson ihr bislang immer noch erfolgreic­hstes Album „Back in Black“. Das lag vor allem auch an der Konstanz, mit der Malcolm und auch Angus an ihrem Stil festhielte­n. Sie machen keine Spielchen. Alles ist auf den Endzweck ausgericht­et, in dem Rhythmusun­d Melodielin­ie auf der Basis relativ simpler Rockriffs zu einer unzertrenn­lichen und so auch unausweich­lichen Einheit wurden.

Wie es mit der Band weitergeht, weiß keiner. Nach dem Abschied von Malcolm Young vor drei Jahren hatte sein Neffe Stevie den Job übernommen. Dann hatte Sänger Brian Johnson schwere Hörproblem­e bekommen und es war Axl Rose für ihn eingesprun­gen. Aber das ist alles nur die Hälfte wert, auch wenn es immer noch gut klingt.

Angus Young schrieb nun auf der Homepage als letzten Gruß für seinen Bruder: „Job well done“. So hart das klingt: Vielleicht ist es Zeit, es zu lassen. Vielleicht reicht, was AC/DC für uns getan hat. Und es sollte alles damit enden, dass wir Malcolm Young nun eine Gitarre in das Grab legen, die ohnehin auf immer klingen wird.

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BILD: SN/AP Malcolm Young (1953–2017)

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