Städte können viel sauberer werden
Städte sind für einen hohen Ausstoß von Emissionen verantwortlich. Forscher haben jetzt berechnet, wie man das ändern könnte. Die Wirtschaft profitiert davon.
Kohlekraftwerke oder doch besser Windkraft?
BERLIN, WIEN. Der Ausstoß von Treibhausgasen, den Stadtbewohner durch den Einkauf von Waren und Dienstleistungen außerhalb der Stadtgrenzen verursachen, ist viel größer als angenommen. Diese indirekten Emissionen sind in etwa gleich groß wie die Gesamtemissionen aus dem eigenen Stadtgebiet, wie eine neue Studie zeigt.
Das ist keine schlechte Nachricht, sondern bietet im Gegenteil der lokalen Politik die Chance, mehr gegen den Klimawandel tun zu können. Das sagen die Forscher des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
Für vier Städte aus Industrie- und Entwicklungsländern berechneten sie den ersten international vergleichbaren Treibhausgas-Fußabdruck: Berlin, New York, MexikoStadt und Delhi. Entgegen der landläufigen Auffassung sind nicht Konsumgüter wie Computer oder Turnschuhe am wichtigsten, sondern Gebäude und Verkehr – Sektoren also, in denen der Handlungsspielraum der Kommunen vergleichsweise groß ist.
„Es stellt sich heraus, dass die Aktivitäten, die die meisten lokalen Emissionen der Haushalte verursachen – Wohnen und Transport –, auch für den Großteil der vorgelagerten Emissionen woanders in der Versorgungskette verantwortlich sind“, sagt Leitautor Peter-Paul Pichler. Er betont: „Oft heißt es, dass Bürgermeister wenig gegen den Klimawandel tun können, weil ihr Einfluss auf das Stadtgebiet begrenzt ist, aber tatsächlich kann ihr Handeln weitreichende Wirkung haben. Die auf dem UN-Gipfel bisher von den Regierungen vorgestellten Emissionsreduktionen reichen ganz klar nicht aus, um die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, wie von 190 Ländern vereinbart – deshalb sind zusätzliche Anstrengungen erforderlich.“Die Produktion von Zement und Stahl für Gebäude zum Beispiel verbraucht eine große Menge an Energie – typischerweise aus fossilen Brennstoffen. Wenn eine Stadt stattdessen den Einsatz von weniger CO -intensiven Baustoffen wie etwa Holz fördert, kann der indirekte Ausstoß von Treibhausgasen drastisch reduziert werden.
Selbst Dinge, die Städte bereits heute tun, können weit entfernte Emissionen beeinflussen. Die Erhöhung der Dämmstandards für Gebäude etwa verringert die lokalen Emissionen durch die Senkung des Heizenergiebedarfs. Aber sie kann auch den Bedarf an elektrischer Kühlung im Sommer reduzieren, was die Stromerzeugung und damit den Ausstoß von Treibhausgasen in Kraftwerken außerhalb der Stadtgrenzen reduzieren kann.
Im Verkehrssektor können durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs lokale Emissionen aus dem Autoverkehr minimiert werden. Ein attraktiver öffentlicher Verkehr verringert aber auch die Anzahl der Autos, die außerhalb der Stadtgrenzen mit großem Energieaufwand gebaut werden müssen. Es ist also eine Win-Win-Situation.
Städte können entscheiden, aus welchen Quellen sie den Strom beziehen, um ihre U-Bahnen oder Elektrobusse zu betreiben. Entscheiden sie sich für Energie aus Sonne oder Wind, können Stadtverwaltungen entscheidend zur Schließung weit entfernter Kohlekraftwerke beitragen.
Die Unterschiede im Treibhausgas-Ausstoß der vier untersuchten Städte Berlin, New York, MexikoStadt und Delhi sind groß. Er schwankt zwischen 1,9 (Delhi) und 10,6 (New York) Tonnen CO -Äquivalent pro Kopf und Jahr.
Das Verhältnis zwischen lokalen und vorgelagerten Emissionen ist aber in allen Städten etwa gleich groß, und auch die Bedeutung von Wohnen und Verkehr für die Treibhausgasemissionen ist in allen untersuchten Städten sehr ähnlich. Im Fall Berlins entsteht mehr als die Hälfte der vorgelagerten Emissionen außerhalb Deutschlands, vor allem in Russland und China, sowie in der Europäischen Union. Ein ähnliches Ergebnis erhält man für Mexiko-Stadt.
Das Team der Forscher aus Potsdam analysierte gewaltige Datenmengen über den ökonomischen Input und Output aller Weltregionen und kombinierte sie mit Daten zur Emissionsintensität der Produktion in vielen verschiedenen Sektoren sowie dem Konsum von Haushalten.
Die Methodik ist prinzipiell an jedem Ort anwendbar und ermöglicht eine effektivere Zusammenarbeit zwischen Städten, um ihren Treibhausgas-Fußabdruck zu verringern.