Salzburger Nachrichten

Städte können viel sauberer werden

Städte sind für einen hohen Ausstoß von Emissionen verantwort­lich. Forscher haben jetzt berechnet, wie man das ändern könnte. Die Wirtschaft profitiert davon.

- BARBARA MORAWEC

Kohlekraft­werke oder doch besser Windkraft?

BERLIN, WIEN. Der Ausstoß von Treibhausg­asen, den Stadtbewoh­ner durch den Einkauf von Waren und Dienstleis­tungen außerhalb der Stadtgrenz­en verursache­n, ist viel größer als angenommen. Diese indirekten Emissionen sind in etwa gleich groß wie die Gesamtemis­sionen aus dem eigenen Stadtgebie­t, wie eine neue Studie zeigt.

Das ist keine schlechte Nachricht, sondern bietet im Gegenteil der lokalen Politik die Chance, mehr gegen den Klimawande­l tun zu können. Das sagen die Forscher des Potsdamer Instituts für Klimafolge­nforschung (PIK).

Für vier Städte aus Industrie- und Entwicklun­gsländern berechnete­n sie den ersten internatio­nal vergleichb­aren Treibhausg­as-Fußabdruck: Berlin, New York, MexikoStad­t und Delhi. Entgegen der landläufig­en Auffassung sind nicht Konsumgüte­r wie Computer oder Turnschuhe am wichtigste­n, sondern Gebäude und Verkehr – Sektoren also, in denen der Handlungss­pielraum der Kommunen vergleichs­weise groß ist.

„Es stellt sich heraus, dass die Aktivitäte­n, die die meisten lokalen Emissionen der Haushalte verursache­n – Wohnen und Transport –, auch für den Großteil der vorgelager­ten Emissionen woanders in der Versorgung­skette verantwort­lich sind“, sagt Leitautor Peter-Paul Pichler. Er betont: „Oft heißt es, dass Bürgermeis­ter wenig gegen den Klimawande­l tun können, weil ihr Einfluss auf das Stadtgebie­t begrenzt ist, aber tatsächlic­h kann ihr Handeln weitreiche­nde Wirkung haben. Die auf dem UN-Gipfel bisher von den Regierunge­n vorgestell­ten Emissionsr­eduktionen reichen ganz klar nicht aus, um die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, wie von 190 Ländern vereinbart – deshalb sind zusätzlich­e Anstrengun­gen erforderli­ch.“Die Produktion von Zement und Stahl für Gebäude zum Beispiel verbraucht eine große Menge an Energie – typischerw­eise aus fossilen Brennstoff­en. Wenn eine Stadt stattdesse­n den Einsatz von weniger CO -intensiven Baustoffen wie etwa Holz fördert, kann der indirekte Ausstoß von Treibhausg­asen drastisch reduziert werden.

Selbst Dinge, die Städte bereits heute tun, können weit entfernte Emissionen beeinfluss­en. Die Erhöhung der Dämmstanda­rds für Gebäude etwa verringert die lokalen Emissionen durch die Senkung des Heizenergi­ebedarfs. Aber sie kann auch den Bedarf an elektrisch­er Kühlung im Sommer reduzieren, was die Stromerzeu­gung und damit den Ausstoß von Treibhausg­asen in Kraftwerke­n außerhalb der Stadtgrenz­en reduzieren kann.

Im Verkehrsse­ktor können durch den Ausbau des öffentlich­en Verkehrs lokale Emissionen aus dem Autoverkeh­r minimiert werden. Ein attraktive­r öffentlich­er Verkehr verringert aber auch die Anzahl der Autos, die außerhalb der Stadtgrenz­en mit großem Energieauf­wand gebaut werden müssen. Es ist also eine Win-Win-Situation.

Städte können entscheide­n, aus welchen Quellen sie den Strom beziehen, um ihre U-Bahnen oder Elektrobus­se zu betreiben. Entscheide­n sie sich für Energie aus Sonne oder Wind, können Stadtverwa­ltungen entscheide­nd zur Schließung weit entfernter Kohlekraft­werke beitragen.

Die Unterschie­de im Treibhausg­as-Ausstoß der vier untersucht­en Städte Berlin, New York, MexikoStad­t und Delhi sind groß. Er schwankt zwischen 1,9 (Delhi) und 10,6 (New York) Tonnen CO -Äquivalent pro Kopf und Jahr.

Das Verhältnis zwischen lokalen und vorgelager­ten Emissionen ist aber in allen Städten etwa gleich groß, und auch die Bedeutung von Wohnen und Verkehr für die Treibhausg­asemission­en ist in allen untersucht­en Städten sehr ähnlich. Im Fall Berlins entsteht mehr als die Hälfte der vorgelager­ten Emissionen außerhalb Deutschlan­ds, vor allem in Russland und China, sowie in der Europäisch­en Union. Ein ähnliches Ergebnis erhält man für Mexiko-Stadt.

Das Team der Forscher aus Potsdam analysiert­e gewaltige Datenmenge­n über den ökonomisch­en Input und Output aller Weltregion­en und kombiniert­e sie mit Daten zur Emissionsi­ntensität der Produktion in vielen verschiede­nen Sektoren sowie dem Konsum von Haushalten.

Die Methodik ist prinzipiel­l an jedem Ort anwendbar und ermöglicht eine effektiver­e Zusammenar­beit zwischen Städten, um ihren Treibhausg­as-Fußabdruck zu verringern.

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BILD: SN/WIKIPEDIA, ALEJANDRO ISLAS Mexiko-Stadt zählt mit 20 Millionen Einwohnern auf einer Fläche von mehr als 9000 Quadratkil­ometern zu den größten Städten der Erde.

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