Kloster Cluny gab einen Schatz preis
Bei Routinegrabungen in den Resten der einstigen Benediktinerhochburg wurden 900 Jahre alte Münzen und Goldobjekte entdeckt.
Es ist der Traum jedes Archäologen: Bei Routinegrabungen im Kloster Cluny hat ein Forscherteam der Universität Lyon 2200 mittelalterliche Münzen, knapp zwei Dutzend arabische Golddenare, einen Siegelring mit Edelsteinen und weitere goldene Gegenstände entdeckt; alles weist auf die Zeit um 1135 hin.
Nie zuvor, so teilt die Uni mit, seien so viele Silbermünzen an einem einzigen Ort gefunden worden; und nie arabische und christliche Münzen dieser Menge zusammen mit einem Siegelring. Die Silberdenare, damals Alltagswährung, wurden – das ist bekannt – zumeist vom Klosterimperium Cluny selbst geprägt. Der Rest ist pures Geheimnis. Goldmünzen – in diesem Fall in den 1120er-Jahren unter der Herrschaft des Berbers Ali Ben Jussuf in Spanien oder Marokko hergestellt – waren außergewöhnlichen Rechtsgeschäften vorbehalten. Und der Siegelring?
Projektleiterin Anne Flammin beschreibt den Fund im heutigen Klostergarten so: Ziel der Grabung war die Suche nach den Grundmauern des Großen Saals der mittelalterlichen Krankenstation. Sie war in den 1620erJahren im Zuge großer barocker Neubauten zerstört worden. Schon am allerersten Tag der Kampagne beobachtete eine ihrer jungen Studentinnen ein grünes Schimmern, als der Bagger ein Probeloch aushob. Und tatsächlich: In 70 Zentimetern Tiefe lag ein gerissener Lederbeutel mit dem Schatz.
Aber wer vergrub ihn dort? Ein Kirchenfürst? Ein reicher Adliger, der das Privileg hatte, im Hospital von Cluny behandelt zu werden? Der vergeblich auf Genesung hoffte und seine „eiserne Reserve“dann doch nie mehr zurückholen konnte?
Die Abtei von Cluny war im hohen Mittelalter die größte Westeuropas. Und paradoxerweise überaus reich. 910 von glühenden Asketen gegründet, die das radikale Armutsideal des benediktinischen Mönchtums erneuern wollten und mit ihrer Strahlkraft in ganz Europa Tausende junge Männer, die ein anderes Leben suchten, anzogen – und dann Tausende fromme Stiftungen, mit denen die Reichen der Zeit ihr ewiges Seelenheil zu befördern wünschten. So entstand ein mächtiges, hierarchisch organisiertes Klosterimperium, das sich über ganz Europa erstreckte.
Wer vergrub den Beutel? Ein Kirchenfürst? Ein Adeliger?
Die neue Klosterkirche wurde das über Jahrhunderte größte Gotteshaus der Christenheit. „Cluny III“war mit 187 Metern Länge um mehr als die Hälfte größer als die frühchristliche Basilika Sankt Peter in Rom. Um 1135, als der Schatz vergraben wurde, wurden gerade die letzten Meter der Vorhalle und die Westtürme errichtet.
Es sind genau jene Jahre, in denen der Orden seinen Zenit überschritt. Das global agierende Unternehmen Cluny wurde zu komplex und kompliziert. Neben der Verselbstständigung einzelner Klöster brachten die aufkommende Geldstatt Naturalwirtschaft und die drückenden Kosten für die riesigen Repräsentationsbauten das große Schiff allmählich ins Schlingern. Zeit vielleicht, seine Habe in Sicherheit zu bringen.