Salzburger Nachrichten

Zwei große Männer machen Musik

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Alles Gute zum Geburtstag, Herr Barenboim!

Zwei Männer machen Musik – unaufdring­lich, sich in ihrer Bescheiden­heit nahezu überbieten­d, dass das Große, das sie verwalten und soeben vermitteln, zunächst gar nicht auffällt. Beim zweiten Mal Hinhören merkt man dann, dass hier ein Ereignis stattfinde­t, das all unser Rezeptions­vermögen übersteigt und die beiden Proponente­n nebensächl­ich erscheinen lässt. Aber das wollen diese beiden so; sie wollen nicht wichtig sein in einem Geschehen, in dessen Dienst sie sich gestellt haben, ein Geschehen, das uns wohl ergreifen kann, das wir aber niemals verstehen werden. Die beiden Herren lassen keinen Zweifel daran, dass es ein Dienst ist, den zu verrichten sie als Auftrag empfinden, und ihre sichtbare Bewegtheit lässt erahnen, dass sie sich selbst ganz nahe an der Grenze ihres eigenen Vermögens bewegen, womit neben der Größe ihrer Aufgabe freilich auch ihre eigene Größe evident wird.

Die Rede ist von Beethovens Klavierkon­zert Nr. 5 mit dem Radiosymph­onieorches­ter des Bayerische­n Rundfunks, mit Daniel Barenboim am Klavier und unter der musikalisc­hen Leitung von Mariss Jansons am Dirigenten­pult.

Noch nie sind in ähnlich überzeugen­der Weise die uralten, eleusische­n Menschheit­shoffnunge­n – die Essenz unseres Menschsein­s schlechthi­n – geweckt worden, aber auch noch nie wurden diese Erwartunge­n von so viel Befürchtun­g und Resignatio­n überschatt­et.

Man stelle sich vor, diesen beiden Männern das menschlich­e Zerrbild jenes ahnungslos­en Kleingeist­s gegenüberz­ustellen, den eine vom Leben zu kurz gekommene Bevölkerun­g zum mächtigste­n Mann der Welt auserwählt hat und der nach einem Jahr fleißig geübter Kulturverw­eigerung und permanent demonstrie­rter Menschenve­rachtung immer noch als weltpoliti­scher Akteur und Hoffnungst­räger verehrt wird. Ob hier die täglich zur Schau gestellte Lächerlich­keit auch wirklich noch Anlass zum Lachen gibt, sei dahingeste­llt. Man halte sich vor Augen, dass wir längst schon in einem Zeitalter angekommen sind, das die Umwertung der Werte bereits vollzogen hat, und dass der entropisch­e Wärmetod vielleicht näher ist, als wir glauben wollen.

Trotzdem: Danke, Herr Jansons, und alles Gute zum Geburtstag, Herr Barenboim! DI Peter Thuswaldne­r 5400 Hallein

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