Lehrer deutet rätselhafte Felsbilder in den Ostalpen
Woran haben die Menschen in unseren Breiten geglaubt, bevor das Christentum Einzug hielt? Wolfgang Kauer hat die These aufgestellt, dass sie die Erdmutter verehrten, und zwar mit Felsbildern.
SALZBURG. Das Gollinger Bluntautal zeichnet sich zu dieser Jahreszeit durch eine besonders mystische Stimmung aus. Steine, Felsen und Baumstämme sind fast völlig vom Moos verdeckt. Trockene Stellen gibt es nur dort, wo zwei Felsen eine kleine Höhle bilden oder wo eine Wand von einem natürlichen Überhang geschützt wird.
Diese versteckten Plätze sucht Wolfgang Kauer gezielt auf. „Dort gibt es besonders oft Felsritzbil
„ Es ist, als hätte ich mir selbst die Vogelsprache beigebracht.“ Wolfgang Kauer, Schriftsteller
der“, erklärt der Salzburger AHSLehrer. Der gebürtige Linzer beschäftigt sich seit 15 Jahren mit diesen Phänomenen und hat vor Kurzem ein Buch veröffentlicht („Felsbilder der Ostalpen“, Pustet-Verlag), in dem er eine These zu diesen Motiven anbietet. Das Alter der Zeichnungen zu bestimmen sei oft nicht möglich, „aber bei manchen Motiven kann ich sagen: Die sind ganz klar steinzeitlich.“Die eingeritzten Symbole brächten den Wunsch nach Fruchtbarkeit zum Ausdruck, „auf dem Feld, bei Tieren und beim Menschen“. Die Zeit sei vor 40.000 Jahren mithilfe der Mondphasen gemessen worden. Über diese habe sich der Zyklus der Frau sowie das gesamte Menschenleben erklären lassen. „Die Welt wurde als Frau gesehen, als Große Erdmutter, die man in vielen verschiedenen Formen verehrt hat.“Der Mond habe als ihr Abbild gegolten. Mit den Felsbildern hätten die Menschen wohl auch ihren Verstorbenen die Zeit bis zur Wiedergeburt verkürzen wollen: „Meistens gibt es auf den Felswänden eine Seelenstraße. Kreuze, oft nur einen Zentimeter groß, die entlang einer Felsritze aufsteigen.“Viele Symbole brächten auch die Sehnsucht nach Licht zum Ausdruck. „Das ist der Unterschied zu Motiven im Süden Europas, dort lechzen alle nach Wasser.“
Das Wissen über die Felsbilder hat sich Kauer selbst erarbeitet. Sein Hintergrund als Lehrer für Bildnerische Erziehung sei eine große Hilfe: „Ich habe die Bilder präsent, auch wenn ich nicht vor der Felswand stehe.“Er klappere Urgeschichte-Museen systematisch ab und vergleiche die Motive. „Manche Felszeichnungen entdecke ich nur, weil ich schon so viel gesehen habe. Es ist, als hätte ich mir die Vogelsprache beigebracht.“
Die Verehrung der Erdmutter sei vom Christentum verdrängt worden. Bis zum 18. Jahrhundert seien die Symbole noch bekannt gewesen, „danach gibt es einen Bruch. Die Pfleggerichte haben damals viele Bräuche systematisch verboten.“
Kauers Buch ist eine Mischung aus Blog-Roman und Sachbuch. Heute, Montag, präsentiert er es um 19.30 Uhr im Literaturhaus in Salzburg (gemeinsam mit Rupprecht Mayer).