Die Erben der Frau Holle
Die Südtiroler Firma TechnoAlpin ist weltweiter Marktführer für Schneekanonen. Aber zunehmend verlegt man sich auf den Innenbereich. Der letzte Schrei sind Schneezimmer.
Die Südtiroler Firma TechnoAlpin ist weltweiter Marktführer für Schneekanonen. Aber zunehmend verlegt man sich auf den Innenbereich. Der letzte Schrei sind Schneezimmer.
WIEN. Schnee ist ihr Metier. Der Südtiroler Beschneiungsspezialist TechnoAlpin hat dieser Tage alle Hände voll zu tun. Viele Skigebiete rüsten sich zur Saisoneröffnung – und in den meisten Fällen kommt die weiße Pracht aus den gelben Kanonen von TechnoAlpin.
Die Geschichte beginnt in den 1980er-Jahren. Bereits damals, als Klimawandel noch kein breites Thema war, litten die Skigebiete südlich der Alpen unter schneearmen Wintern. Weil eine Schneemaschine aus den USA nicht das gewünschte Ergebnis brachte, konstruierten die Betriebsleiter des Skigebiets Obereggen in den Südtiroler Dolomiten einen eigenen Prototyp, „unter Verwendung handelsüblicher Bauteile aus der Landwirtschaft“, heißt es in der Firmenlegende.
Anfängen als Garagenfirma in Bozen folgten immer bessere Schneeerzeuger und die Expansion ins Ausland, zunächst in die deutschsprachigen Länder. Heute werden – als Folge des Klimawandels – immer mehr Skigebiete „technisch beschneit“, so der Fachausdruck. In Österreich sind es rund 80 Prozent aller Pisten. Heute ist die 1990 gegründete TechnoAlpin mit 60 Prozent Anteil am weltweiten Beschneiungsgeschäft klarer Markt- und Innovationsführer.
Die Frage, ob der Klimawandel mit immer wärmeren Wintern ein Vorteil für einen Beschneiungsspezialisten sei, verneint TechnoAlpinManager Martin Raifer. „Zaubern können auch wir nicht. Wenn uns die Natur kein Zeitfenster gibt, wo es kalt ist, sind wir machtlos“, sagt er. Zugleich zeigt sein eigener Zuständigkeitsbereich, wohin die Reise geht – und wie ein Schneehersteller davon profitieren kann: Raifer leitet die Abteilung „IndoorSchnee“, dazu später mehr.
Ideal sind für die Beschneiung im Freien Temperaturen unter null Grad, entscheidend ist aber das Verhältnis zwischen Temperatur und Luftfeuchtigkeit, die Feuchtkugeltemperatur. Am besten sind Minusgrade und geringe Luftfeuchtigkeit. Doch auch bei geringen Plusgraden ist Beschneiung möglich, wenn die relative Luftfeuchtigkeit unter maximal 30 Prozent liegt. Die immer kürzere Dauer des „Schneifensters“ist die Motivation, immer leistungsfähigere Geräte zu bauen. Aktuelles Limit ist die vollständige Beschneiung einer Gesamtfläche von 100 Hektar innerhalb von 70 Stunden.
Die Südtiroler Schneemacher versprechen Planungssicherheit für Pistenbetreiber, sofern die Temperatur es erlaubt. Das ist vor allem bei Saisonbeginn entscheidend. Eine weiße Piste allein reicht noch lange nicht. Um Menschen zum Skifahren zu animieren, „braucht es eine Winterlandschaft rundherum, sonst fehlt das Flair“, sagt Raifer. Beschneit wird je nach Gelände mit Kanonen oder den deutlich günstigeren Lanzen, die freilich windanfälliger sind. Meist empfiehlt sich eine Kombination aus beiden Typen. TechnoAlpin versteht sich als Gesamtanbieter, der die gesamte Planung übernimmt, samt Schneeberechnung, Wasserversorgung und Datenleitsystem. Der Preis für das Top-Modell, die vollautomatische Propellermaschine TF10, liegt bei 40.000 Euro. Für einen Kubikmeter Schnee fallen grob gerechnet Kosten zwei und fünf Euro an.
Jährlich erzeugt TechnoAlpin mehr als 4500 Schneegeräte, wobei sich Kanonen und Lanzen annähernd die Waage halten.
Schneeproduktion ist die tragende Säule der Firma, die mit 550 Mitarbeitern weltweit rund 200 Mill. Euro Umsatz erzielt, davon 50 Mill. Euro in Österreich. 90 Prozent der Umsätze entfallen auf Außenbeschneiung. Daneben nutzt man das Know-how für Zerstäubung und Wasser-Luft-Mischungen auch für andere Anwendungen, etwa zur Feuerbekämpfung oder in Staubbindemaschinen, die auf Baustellen anfallenden Staub mit feinen Wasserpartikeln binden und zu Boden bringen. Das gleiche Prinzip kommt zwischen bei Müllsortieranlagen zum Einsatz, wo Wasserstaub unangenehme Gerüche wegfiltern kann.
Vielversprechende Zuwachsraten gibt es im Segment IndoorSchnee. Dazu gehört die Ausstattung von Schneehallen, wie sie etwa in China immer populärer werden. Anders als im Freien sind Temperatur und Luftfeuchtigkeit hier steuerbar, Herausforderung sind die hohen Energiekosten.
Letzter Schrei sind „SnowRooms“, innovative Schneezimmer, mit denen sich die TechnoAlpinTochter Areasana weltweit als „snowellness expert“positioniert.
Die Idee ist simpel. Bei WellnessWärmebehandlungen wie Sauna oder Dampfbad erfolgt die Abkühlung danach in der Regel schockartig, durch kaltes Wasser oder Eis. Mit Medizinern und Technikern zusammen hat TechnoAlpin eine Methode entwickelt, trockene Kälte und weichen Schnee „wie aus Watte“in Räumen zu erzeugen. Zum Einsatz kommen lediglich Wasser und Luft, betont TechnoAlpin-Geschäftsführer Erich Gummerer. Ergebnis ist eine „effiziente, aber ausgesprochen sanfte, ,warme‘ und angenehme Abkühlung“. Damit werde die Wellness-Kältebehandlung zum Erlebnis, auch durch ansprechende optische Gestaltung.
Einige Dutzend der durchschnittlich 10 bis 12 Quadratmeter großen Schneezimmer hat man in der gehobenen Hotellerie bereits verkauft, bis nach China und auf Kreuzfahrtschiffe. Der Preis: ab 60.000 Euro aufwärts.
„Zaubern können auch wir nicht, ohne die nötige Kälte sind wir machtlos.“Martin Raifer, TechnoAlpin