So wie er schreibt keiner
Die Summe dessen, was Peter Handke kann, steckt in seinem neuen Roman „Die Obstdiebin“. Am 6. Dezember feiert der österreichische Dichter mit der ganz eigenen Stimme seinen 75. Geburtstag.
„Hohen Mittag“, wenn nicht einer, für den „eine andere reale Zeit in der sogenannten Realzeit“schlagend ist? Überhaupt: das Andere. Es befindet sich überall dort, wo der Durchschnittsgeselle nie hinschauen würde. Das Spektakuläre des Unspektakulären hat auch die Obstdiebin zu ihrer Sache erklärt. Wie der Erzähler kommt sie im Unterwegssein erst zu sich selbst.
Zufallsbegegnungen erweisen sich als glückliche Fügungen. Der Herbergsvater, die Briefträgerin, der Stadtrandzeichner, sie alle sind eigenwillige Charaktere, die längst von der Linie abgewichen sind, die Ordnung verheißt. Die Obstdiebin ist eine Wiedergängerin des Gregor Keuschnig, der im „Niemandsbucht“-Roman von 1994 eine Einverständnis-Erklärung mit der Intensivierung des Lebens abgab, indem er den niederen, kleinen Dingen seine geballte Aufmerksamkeit zukommen ließ.
Wie der reisenden Sängerin in der Erzählung „Kali“(2007) gelingt es der Obstdiebin, Orten der Heilsverlassenheit Glanz einzuhauchen, und wie in der Erzählung „Die morawische Nacht“von 2008 kommt dem Erzählen als Bruch des Schweigens erlösende Funktion zu.
Klar, dass eine Allerweltssprache für all das nicht infrage kommt. Wie mit einem Suchscheinwerfer ist Handke unterwegs, um das richtige Wort für eine Erfahrung zu finden, die einzigartig ist. Deshalb wird, wenn das letzte Wort nicht gesprochen ist, so oft nachgeschärft. Um zum Ende zu kommen, wird gern kurzer Prozess zum langen Suchen gemacht: „Ja, diese Reise verhieß etwas. Gutes? Böses? Sie verhieß.“
Der Roman „Die Obstdiebin“zieht noch einmal die Summe der Handke’schen Möglichkeiten. So wie er schreibt keiner. Buch: