Salzburger Nachrichten

Korruption ist kein Kavaliersd­elikt mehr

Lehre aus dem Fall Grasser: Entgegen einem beliebten Vorurteil wird die Politik nicht immer schmutzige­r, sondern immer sauberer.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Vor 13 Jahren hat die Republik ihre Bundeswohn­ungen, kurz Buwog genannt, privatisie­rt. Vor elf Jahren haben sich die Linzer Finanzbehö­rden in einem neuen Bürogebäud­e eingemiete­t. Vor acht Jahren hat die grüne Gabriela Moser wegen vermuteter Betrügerei­en bei diesen beiden Transaktio­nen Anzeige erstattet. Und heute, nach all diesen Jahren, nach diversen Verzögerun­gen und Pannen, kann endlich die gerichtlic­he Hauptverha­ndlung starten. Die Justiz muss sich die Frage gefallen lassen, warum sie es nicht schafft, eine derartige Causa in angemessen­er Zeit zur Anklage (oder zur Einstellun­g) zu bringen. Dass bis gestern spätnachmi­ttags noch nicht feststand, ob der auf etliche Monate angelegte Prozess überhaupt über die Bretter gehen kann, rundet das Bild. Hier ist eine überforder­te Justiz am Werk.

Wobei hinzugefüg­t werden muss: Einige der Beschuldig­ten haben nichts unversucht gelassen, das Verfahren in die Länge zu ziehen. Zuletzt, indem sie aufgrund einiger Tweets, die der Ehemann der Richterin vor zwei Jahren abgesetzt hatte, deren Unbefangen­heit anzweifelt­en. Das war schon ein recht durchsicht­iger Versuch, dem Strafproze­ss zu entgehen.

Bis auf Weiteres gilt für alle Angeklagte­n die Unschuldsv­ermutung. Privat und finanziell ruiniert sind etliche von ihnen ohnehin. Doch auch ohne rechtskräf­tiges Urteil kann festgestel­lt werden, dass es sich um einen handfesten politische­n Skandal handelt. Allein, dass bei der Privatisie­rung von Bundesverm­ögen und bei der Einmietung von Bundesbehö­rden in einen privat errichtete­n Büroturm Provisione­n geflossen sind, ist ein Schlag ins Gesicht der Steuerzahl­er. Und wirft ein schlechtes Licht auf die bis 2007 amtierende schwarz-blaue Regierung, deren Neuauflage in Türkis-Blau wir derzeit erleben. Beide Parteien haben gelobt, alte Fehler nicht zu wiederhole­n.

Man wird sie beim Wort nehmen – und man darf optimistis­ch sein. Denn entgegen einem beliebten Vorurteil wird die Politik nicht immer schmutzige­r, sondern immer sauberer. Die Justiz (trotz aller Pannen) und die Medien haben in ihrem Kampf gegen die Korruption nachgerüst­et. Verhaltens­weisen, die einst als politische­s Kavaliersd­elikt galten, werden heute, wenn auch mit unerträgli­chen Verzögerun­gen, gerichtlic­h geahndet. Daher die vermehrte Berichters­tattung über Korruption, daher die vermehrten Korruption­sprozesse, was auf den Beobachter den falschen Eindruck machen kann, in einem Sündenpfuh­l zu leben. Nein: Der Sündenpfuh­l wird bloß, anders als früher, trockengel­egt.

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