Korruption ist kein Kavaliersdelikt mehr
Lehre aus dem Fall Grasser: Entgegen einem beliebten Vorurteil wird die Politik nicht immer schmutziger, sondern immer sauberer.
Vor 13 Jahren hat die Republik ihre Bundeswohnungen, kurz Buwog genannt, privatisiert. Vor elf Jahren haben sich die Linzer Finanzbehörden in einem neuen Bürogebäude eingemietet. Vor acht Jahren hat die grüne Gabriela Moser wegen vermuteter Betrügereien bei diesen beiden Transaktionen Anzeige erstattet. Und heute, nach all diesen Jahren, nach diversen Verzögerungen und Pannen, kann endlich die gerichtliche Hauptverhandlung starten. Die Justiz muss sich die Frage gefallen lassen, warum sie es nicht schafft, eine derartige Causa in angemessener Zeit zur Anklage (oder zur Einstellung) zu bringen. Dass bis gestern spätnachmittags noch nicht feststand, ob der auf etliche Monate angelegte Prozess überhaupt über die Bretter gehen kann, rundet das Bild. Hier ist eine überforderte Justiz am Werk.
Wobei hinzugefügt werden muss: Einige der Beschuldigten haben nichts unversucht gelassen, das Verfahren in die Länge zu ziehen. Zuletzt, indem sie aufgrund einiger Tweets, die der Ehemann der Richterin vor zwei Jahren abgesetzt hatte, deren Unbefangenheit anzweifelten. Das war schon ein recht durchsichtiger Versuch, dem Strafprozess zu entgehen.
Bis auf Weiteres gilt für alle Angeklagten die Unschuldsvermutung. Privat und finanziell ruiniert sind etliche von ihnen ohnehin. Doch auch ohne rechtskräftiges Urteil kann festgestellt werden, dass es sich um einen handfesten politischen Skandal handelt. Allein, dass bei der Privatisierung von Bundesvermögen und bei der Einmietung von Bundesbehörden in einen privat errichteten Büroturm Provisionen geflossen sind, ist ein Schlag ins Gesicht der Steuerzahler. Und wirft ein schlechtes Licht auf die bis 2007 amtierende schwarz-blaue Regierung, deren Neuauflage in Türkis-Blau wir derzeit erleben. Beide Parteien haben gelobt, alte Fehler nicht zu wiederholen.
Man wird sie beim Wort nehmen – und man darf optimistisch sein. Denn entgegen einem beliebten Vorurteil wird die Politik nicht immer schmutziger, sondern immer sauberer. Die Justiz (trotz aller Pannen) und die Medien haben in ihrem Kampf gegen die Korruption nachgerüstet. Verhaltensweisen, die einst als politisches Kavaliersdelikt galten, werden heute, wenn auch mit unerträglichen Verzögerungen, gerichtlich geahndet. Daher die vermehrte Berichterstattung über Korruption, daher die vermehrten Korruptionsprozesse, was auf den Beobachter den falschen Eindruck machen kann, in einem Sündenpfuhl zu leben. Nein: Der Sündenpfuhl wird bloß, anders als früher, trockengelegt.