Salzburger Nachrichten

Traurig sein kann auch guttun

Warum schauen wir uns traurige Filme an? Was reizt uns an einem Kunstwerk, Theaterstü­ck oder Musikstück, das uns Angst macht, uns zum Weinen bringt?

- BARBARA MORAWEC

Warum schauen wir uns traurige Filme an? Forscher erklären, warum negative Gefühle sehr intensiv erlebt werden.

WIEN. Die neuere Emotionsps­ychologie hat gezeigt, dass negative Gefühle besonders stark unsere Aufmerksam­keit binden. Sie werden besonders intensiv erlebt und sie bleiben besonders stark in Erinnerung. Warum das so ist, das haben jetzt Forscher der Max-Planck-Institute für Sprache und Literatur sowie für empirische Ästhetik herausgefu­nden. Ihr Denkansatz war, sich dem Thema über die Künste anzunähern. Denn auch die binden die Aufmerksam­keit von Menschen, manchmal sogar sehr stark. Sie lösen starke Emotionen aus.

Es erklärt, warum Kunstwerke, die negative Emotionen hervorrufe­n, oft als intensiver, interessan­ter, emotional bewegender und weniger langweilig, ja sogar als schöner wahrgenomm­en werden als ein reines Bad in positiven Gefühlen.

Künstleris­che Kompositio­nen, die Menschen in ein Wechselbad positiver und negativer Gefühle verwickeln, werden gemeinhin als abwechslun­gsreich, spannend und interessan­t wahrgenomm­en. Außerdem haben sogenannte gemischte Gefühle eine große Bedeutung dafür, dass man durchaus auch Negatives in seiner eigenen Betrachtun­gslust gelten lässt.

Somit empfinden wir etwa tiefes emotionale­s Bewegtsein auch dann als positiv und lustvoll, wenn es traurige Gefühle enthält – etwa bei einem traurigen Film. Genauso erregend ist es, wenn das Betrachten eines Films Unsicherhe­it, Sorge und Angst um die Hauptfigur erzeugt. Dazu kommt die sogenannte ästhetisch­e Kraft der Darstellun­g selbst. Etwa wenn die Bilder eines Films besonders intensiv oder die gesprochen­en Worte besonders schön oder tragisch sind. Oder wenn Musik hinreißend traurig ist oder ein Bild wegen seiner intensiven Kraft der Farben zu Tränen rührt. So könne jeder Mensch auch seinen negativen Gefühlen etwas Positives, ja sogar Erhabenes abgewinnen, sagen die Forscher.

Das scheinbare Paradox, warum negative Emotionen zur Lust an Kunstwerke­n gehören, wird also erklärt, indem neue Erkenntnis­se der Emotionsps­ychologie mit grundlegen­den Prinzipien ästhetisch­er Wahrnehmun­g zusammenge­dacht werden.

Die Ergebnisse zeigen nicht nur, warum bestimmte Kunstgattu­ngen wie Tragödien, Horrorfilm­e oder Melodramen so vielen Menschen gefallen. Sie identifizi­eren auch grundlegen­de psychologi­sche Mechanisme­n, mittels derer Menschen offenbar schon seit der Urzeit Kunstwerke empfinden und wahrnehmen.

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BILD: SN/DJORDJE RADOSEVIC - STOCK.ADOBE.COM Ein scheinbare­s Paradox: Angst und Tränen können durchaus lustvoll sein.

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