Traurig sein kann auch guttun
Warum schauen wir uns traurige Filme an? Was reizt uns an einem Kunstwerk, Theaterstück oder Musikstück, das uns Angst macht, uns zum Weinen bringt?
Warum schauen wir uns traurige Filme an? Forscher erklären, warum negative Gefühle sehr intensiv erlebt werden.
WIEN. Die neuere Emotionspsychologie hat gezeigt, dass negative Gefühle besonders stark unsere Aufmerksamkeit binden. Sie werden besonders intensiv erlebt und sie bleiben besonders stark in Erinnerung. Warum das so ist, das haben jetzt Forscher der Max-Planck-Institute für Sprache und Literatur sowie für empirische Ästhetik herausgefunden. Ihr Denkansatz war, sich dem Thema über die Künste anzunähern. Denn auch die binden die Aufmerksamkeit von Menschen, manchmal sogar sehr stark. Sie lösen starke Emotionen aus.
Es erklärt, warum Kunstwerke, die negative Emotionen hervorrufen, oft als intensiver, interessanter, emotional bewegender und weniger langweilig, ja sogar als schöner wahrgenommen werden als ein reines Bad in positiven Gefühlen.
Künstlerische Kompositionen, die Menschen in ein Wechselbad positiver und negativer Gefühle verwickeln, werden gemeinhin als abwechslungsreich, spannend und interessant wahrgenommen. Außerdem haben sogenannte gemischte Gefühle eine große Bedeutung dafür, dass man durchaus auch Negatives in seiner eigenen Betrachtungslust gelten lässt.
Somit empfinden wir etwa tiefes emotionales Bewegtsein auch dann als positiv und lustvoll, wenn es traurige Gefühle enthält – etwa bei einem traurigen Film. Genauso erregend ist es, wenn das Betrachten eines Films Unsicherheit, Sorge und Angst um die Hauptfigur erzeugt. Dazu kommt die sogenannte ästhetische Kraft der Darstellung selbst. Etwa wenn die Bilder eines Films besonders intensiv oder die gesprochenen Worte besonders schön oder tragisch sind. Oder wenn Musik hinreißend traurig ist oder ein Bild wegen seiner intensiven Kraft der Farben zu Tränen rührt. So könne jeder Mensch auch seinen negativen Gefühlen etwas Positives, ja sogar Erhabenes abgewinnen, sagen die Forscher.
Das scheinbare Paradox, warum negative Emotionen zur Lust an Kunstwerken gehören, wird also erklärt, indem neue Erkenntnisse der Emotionspsychologie mit grundlegenden Prinzipien ästhetischer Wahrnehmung zusammengedacht werden.
Die Ergebnisse zeigen nicht nur, warum bestimmte Kunstgattungen wie Tragödien, Horrorfilme oder Melodramen so vielen Menschen gefallen. Sie identifizieren auch grundlegende psychologische Mechanismen, mittels derer Menschen offenbar schon seit der Urzeit Kunstwerke empfinden und wahrnehmen.