Koalitionsgespräche: Da sind noch einige Fragen offen
Ohne Staatsreform und ohne Pensionsreform kein saniertes Budget: So lautet eine grundlegende Weisheit der Politik. Bemerkenswert, dass von allen drei Bereichen noch nichts aus den Koalitionsverhandlungen drang.
WIEN. Intensive Verhandlungen, Abschluss gegen Ende der Woche oder aber erst in der Woche vor Weihnachten. Das war am Montag der offiziell verlautbarte Zwischenstand bei den schwarz-blauen Koalitionsgesprächen. Über etliche inhaltliche Einigungen, vom Bildungsprogramm bis zum Thema Sicherheit, haben die SN in den vergangenen Tagen berichtet. Von mindestens ebenso großem Interesse sind jene Themen, die bisher offenbar nicht auf der Agenda der Verhandler standen. Denn dabei handelt es sich um die viel zitierten „großen Brocken“. Beispielsweise:
Steuern, Budget
Die Parteien haben sich darauf geeinigt, die Abgabenquote im Lauf der nächsten fünf Jahre von derzeit 42,9 Prozent auf unter 40 Prozent zu senken – ein Vorhaben, das dem Staat Mindereinnahmen in Milliardenhöhe bescheren würde. Wie dies im Einzelnen finanziert werden soll, ist Gegenstand der laufenden Gespräche.
Der neuen Regierung kommt zugute, dass die Konjunkturaussichten gut sind wie lange nicht. „Die konjunkturellen Rahmenbedingungen sind sowohl für den laufenden Budgetvollzug als auch für das kommende Finanzjahr sehr günstig“, stellte der Budgetdienst des Parlaments kürzlich in einer Analyse fest. Für die österreichische Wirtschaft werde „für 2017 mit 2,8 Prozent das höchste reale Wirtschaftswachstum seit sechs Jahren erwartet, für 2018 wird ein Wachstum von 2,8 Prozent prognostiziert“.
Weniger günstig für die Pläne der neuen Regierung ist der Umstand, dass trotz sprudelnder Einnahmen die Neuverschuldung 2018 auf 1,1 Prozent des BIP steigen wird. Und zwar wegen der „Ausweitung ausgabeseitiger Maßnahmen“, sprich: Regierung und Parlament haben in den Monaten vor der Wahl diverse teure Wohltaten beschlossen. Der parlamentarische Budgetdienst nennt insbesondere die Pensionsanpassung für 2018, die Investitionsprämien für Unternehmen, die Abschaffung des Pflegeregresses, den Beschäftigungsbonus und die Erhöhung der Mittel für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen (Aktion 20.000, verpflichtendes Integrationsjahr). Auch der Wegfall der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe (ab Juli 2018) und die Erhöhung von Studienund Familienbeihilfe führen zu Mehrausgaben.
Bei der Abschaffung des Pflegeregresses könnte es zu noch höheren Mehrausgaben kommen als derzeit vermutet: Der Bund wollte den Ländern den Einnahmenentfall mit 100 Millionen abgelten. Die Länder machen aber Kosten in doppelter Höhe geltend. Das jüngste Zuckerl, auf das sich ÖVP und FPÖ geeinigt haben („steuerlicher Kinderbonus“), hat der parlamentarische Budgetdienst in seiner Auflistung noch gar nicht berücksichtigt.
Pensionen
Auch zu einem der größten Kostentreiber, dem Bundeszuschuss zu den Pensionen, sind von den Koalitionsverhandlern noch keine Reformdetails genannt worden. Um die Lage zu veranschaulichen, reichen einige Zahlen, die die Denkfabrik Agenda Austria dieser Tage publiziert hat: 1980 zahlte die Republik rund 9,9 Milliarden Euro an Pensionen aus, von denen im selben Jahr 5,8 Milliarden Euro von den Erwerbstätigen an Beiträgen geleistet wurden. 2015 sind die Pensionsleistungen auf rund 50,9 Milliarden Euro gestiegen, von denen aber nur etwa 29,3 Mrd. Euro durch Beiträge gedeckt waren. Die Finanzierungslücke beträgt also 21,6 Milliarden, und das mit steigender Tendenz. Im Wahlkampf plädierte die ÖVP für höhere Zuschläge für längeres Arbeiten und weitere Erleichterungen für jene, die über 65 hinaus arbeiten. Auf diese Art soll das reale Pensionsalter erhöht werden.
Staatsreform
Völlig unterbelichtet war bisher auch die Frage einer Staatsreform. Sowohl ÖVP als auch FPÖ haben im Wahlkampf auf die Frage, wie sie ihre Steuersenkungen finanzieren wollen, auf mögliche Milliardeneinsparungen durch eine Föderalismusreform verwiesen. Konkret wurde eine klarere Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ins Auge gefasst. Davon war in den Mitteilungen der Koalitionsverhandler aber bisher keine Rede. Im Gegenteil: Schon gegen die Absicht, die Gebietskrankenkassen in den Ländern anzutasten, regte sich massiver Widerstand der ÖVP-Landeshauptleute. Auch die von Sebastian Kurz im Wahlkampf angekündigte Verpflichtung der Länder, ihre Förderungen in der Transparenzdatenbank offenzulegen, war bisher kein Thema.