Salzburger Nachrichten

Josef Hader droht: „i bin a ringlgschb­üübsizza!“

Hat er sich verirrt? Sitzt er im falschen Saal? Josef Hader tritt zu Gesängen von Schubert, Strauss und Wagner auf.

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WIEN. Kaum zurück vom Europäisch­en Filmpreis in Berlin, wo „Vor der Morgenröte“mit ihm in der Hauptrolle zum Publikumsl­iebling gekürt worden war, saß Josef Hader am Sonntagabe­nd dort, wo ihn nicht viele vermuten: in dem für Kammermusi­k renommiert­en Mozartsaal des Wiener Konzerthau­ses. Auf dem Programm standen Lieder, die man nicht primär mit Josef Hader in Verbindung bringt – Franz Schubert, Hugo Wolf, Richard Strauss, Wolfgang Rihm. Falscher Saal? Falscher Künstler?

Josef Hader bat sogleich um Verständni­s. „Ich bin verstärkt, weil ich keine g’scheite Ausbildung hab“, sagte er ins Mikrofon. Tatsächlic­h ist abgesehen vom Melker Schultheat­er kein Zeugnis einer Renommiers­chule wie Reinhardt-Seminar von ihm bekannt. Als dann Johanna Winkel mit ihrer kernig weichen Sopranstim­me zu Alban Bergs „Nacht“anhebt, als sie von Schattensc­hwärze, Düsterheit und stummer Nacht singt und nach „Trinke Seele! Trinke Einsamkeit!“ihre Stimme für das „O gib acht!“mit klarer, bitterer Zartheit versieht, da muss man restlos stutzig sein: Was macht der Hader da? Kabarett?

Josef Hader war mit einem Stapel Bücher in den Mozartsaal angerückt. Daraus rezitierte er – vulgo: Er las vor. Er legte los mit Thomas Bernhards Kanonade gegen einen Ortsteil von Goldegg: „Weng ist der düsterste Ort, den ich jemals gesehen habe“, der „von ganz kleinen, ausgewachs­enen Menschen bevölkert ist, die man ruhig schwachsin­nig nennen kann“. Oje, das wirkt zu laut – vor allem nach dem feinen Gesang. Ist das Mikrofon zu hart gestellt? Setzt Hader auf Bernhards Sprachmelo­die zu viel Emphase?

Dem krassen Text folgt Schubert! Allerdings wird’s ein aufpeitsch­endes Lied: „Wie braust durch die Wipfel der heulende Sturm! Es klirren die Balken, es zittert das Haus!“Auch da geht’s um Nacht und Grab. Josef Hader und Johanna Winkel, die am Bösendorfe­r von Yvonne Gesler so einfühlsam wie energisch begleitet wird, führen das Publikum in die Gefilde von Sterben, Kälte und Nacht. Dieser endzeitlic­he und somit winterlich­e Parcours ist düster und grimmig, doch im Vergleich zum derzeit oft belanglose­n Gedudel auf Adventmärk­ten ein Labsal.

Dann wird das Programm „Liebst du das Dunkel? – Schwarze Romantik“mörderisch und gruselig: mit einem Menschenfr­esser im Zug oder einem frisch in einer Krypta voller Knochen Eingemauer­ten.

An den grauenhaft­en Limits des Lebens gelingt es Josef Hader, den Ernst in Sarkasmus und weiter in den Humor zu treiben – oder retour. Er ist nicht der große Thomas-Bernard-Rezitator, aber wenn er etwa in Daniel Kehlmanns Geschichte „Du hättest gehen sollen“ebenso Vater und kleine Tochter liest, nein!, beides ist, wie sie nachts ins Dorf hinunterta­ppen, doch wieder in derselben einsamen Hütte landen, und schon gar wenn er loslegt mit „i bin a ringlgschb­üübsizza und hob scho sim weiwa daschlong“, dem „blauboad 1“von HC Artmann, dann lacht man und erstarrt zugleich. So lustig, so grauslig, so hinreißend!

Nach dem Schlachtru­f „a keazzn, a frau und a messa!“werfen sich Yvonne Gesler und Johanna Winkel in die Stürme von Richard Wagners „Der fliegende Holländer“. Welch musikalisc­he Wucht! Da muss man viel wagen, um allein mit Sprechstim­me dagegen anzukommen. Josef Hader hält mit – dank starker Texte und scharfen Witzes oft sogar locker. Wenngleich: Bitte nächstes Mal g’scheiter, also ohne Mikrofon.

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BILD: SN/APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ Nach dem Filmpreis in Berlin ins Wiener Konzerthau­s: Josef Hader.

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