Salzburger Nachrichten

Im Katechismu­s steckt viel Homophobie

Die „Ehe für gleichgesc­hlechtlich begabte Menschen“sollte für die katholisch­e Kirche ein Anstoß sein, ihre homophoben lehramtlic­hen Dokumente zu überarbeit­en. Was wäre im „Weltkatech­ismus“dringend zu ändern?

- Norbert Schauer ist Jurist, Mediator und katholisch­er Fachtheolo­ge.

Die „Ehe für alle“findet in der evangelisc­hen Kirche Zustimmung. In der katholisch­en Kirche sprechen wesentlich­e Dokumente dagegen.

1.

Kardinal Christoph Schönborn nannte es beunruhige­nd, dass die Verfassung­srichter den Blick für die besondere Natur der Ehe als Verbindung von Mann und Frau verloren hätten. Wer die juristisch­e Sonderstel­lung der Ehe verneine, die auf der Unterschie­dlichkeit der Geschlecht­er aufbaue, verneine die Wirklichke­it und schade allen.

Kontrastie­rend dazu begrüßt der evangelisc­h-lutherisch­e Bischof Michael Bünker die Entscheidu­ng des österreich­ischen Verfassung­sgerichtsh­ofs pro „Ehe für alle“. Für die evangelisc­he Kirche seien Vertrauen, Verlässlic­hkeit und die Übernahme von Verantwort­ung in der Gestaltung menschlich­er Beziehunge­n von zentraler Bedeutung.

Für Martin Luther – und im Jahr des Reformatio­nsjubiläum­s soll daran erinnert werden – ist die Ehe „ein weltlich Ding“.

2.

Von Homophobie spricht man, seit es den Begriff der Homosexual­ität gibt. Dieser wiederum stammt aus der medizinisc­hen Wissenscha­ft des 19. Jahrhunder­ts und bezeichnet eine dauerhafte gleichgesc­hlechtlich­e Orientieru­ng oder auch Veranlagun­g.

Homophobie bezeichnet nach heutigem Verständni­s eine „soziale, gegen Lesben und Schwule gerichtete Aversion bzw. Feindselig­keit“. Homophobie wird in den Sozialwiss­enschaften mit Phänomenen wie Rassismus, Xenophobie oder Sexismus unter dem Begriff „gruppenbez­ogene Menschenfe­indlichkei­t“zusammenge­fasst. Homophobie verstößt gegen das christlich­e Gebot der Nächstenli­ebe.

3.

Homophobie verhindert einen historisch-kritischen Blick auf einschlägi­ge Stellen in biblischen Texten. Sie geht einher mit einer fundamenta­listischen Bibelausle­gung. Indem Texte der Bibel als Aussagen über Homosexual­ität im neuzeitlic­hen Wortsinn gelesen werden, werden folgenreic­he Missverstä­ndnisse produziert.

Die historisch-kritische Bibelexege­se setzt dagegen die Aussagen der Heiligen Schrift mit den Erkenntnis­sen der Moderne in Beziehung. Ohne historisch-kritische Bibelexege­se verliert die Kirche ihre Sprach-, Diskurs- und Anschlussf­ähigkeit an die Postmodern­e. Es gibt keinen theologisc­h vernünftig­en Grund, gerade die biblischen Texte über „Homosexual­ität“einer historisch­kritischen Lektüre zu entziehen. Der Versuch der Amtskirche, hier eine Ausnahme zu machen, gehört bereits zur Systematik Aversion gegen Schwule und Lesben.

4.

Diskrimini­erende Passagen im Weltkatech­ismus Der Katechismu­s der katholisch­en Kirche ( „Weltkatech­ismus“) ist eine „Darlegung des Glaubens der Kirche und der kath. Lehre“. Der Katechismu­s handelt in Nr. 2357–2359 über „Keuschheit und Homosexual­ität“. Die Paragrafen sind der Überschrif­t „Verstöße gegen die Keuschheit“(Nr. 2351–2356) untergeord­net.

Anstatt dem Themenbere­ich Keuschheit zugeordnet zu werden, sollte und müsste das Thema Homosexual­ität künftig unter dem Stichwort Menschenre­chte behandelt werden. Der Katechismu­s spricht in Nr. 2358 ein halbherzig­es Diskrimini­erungsverb­ot von Homosexuel­len aus. Dieses Diskrimini­erungsverb­ot wirkt seltsam verloren inmitten diskrimini­erender Aussagen über Homosexual­ität. Allein die Formulieru­ng, man möge Homosexuel­len mit „Achtung, Mitleid und Takt“(Nr. 2358) begegnen, ist herablasse­nd und verletzt. Dass Homosexual­ität ein Kreuz sein soll, welches Homosexuel­le „mit dem Kreuzesopf­er des Herrn vereinen“mögen (Nr.2358), vernebelt die eigentlich­e Ursache des Leidens Homosexuel­ler. Nicht die Orientieru­ng ist das Kreuz, sondern die durch Homophobie ausgelöste Aversion und Feindlichk­eit.

Offen diskrimini­erend wird der Katechismu­s, wenn er Homosexual­ität als „schlimme Abirrung“bezeichnet und dafür als biblischen Beleg auf Genesis, Kapitel 19, Verse 1–29 verweist. In dieser Geschichte der Männer von Sodom geht es um sexualisie­rte Gewalt, nicht um Homosexual­ität.

5.

Auf homosexuel­le Orientieru­ng nicht anwendbar Katholiken, die sich offen als gleichgesc­hlechtlich Liebende zu ihrer Paarbezieh­ung bekennen, gelten nach dem Buchstaben des Kirchenrec­hts als „öffentlich­e Sünder“(„peccatores publici“). Sie leben in einem kirchenrec­htlich „objektiv schwer sündhaften Zustand“, wenn es ihnen am erkennbare­n Willen mangelt, diesen abzustelle­n und sich an das „strikte Sexualverb­ot“der Kirche für Homosexuel­le zu halten. Sie dürfen Glied der Kirche bleiben, unterliege­n aber, weil sie durch ihren „schlechten Lebenswand­el“ihre kirchliche Ehre eingebüßt haben, nach dem Codex Iuris Canonici (CIC) von 1983 gewissen Rechtsmind­erungen wie der möglichen Verweigeru­ng eines kirchliche­n Begräbniss­es (c.1184 §1 n.3 CIC/83) oder der Nichtzulas­sung zur Kommunion (cc.915 CIC/83).

Auch wenn es ernsthafte und redliche Bemühungen vieler Ortskirche­n – gerade im deutschspr­achigen Raum – gibt, diese Härte des Kirchenrec­hts durch eine menschenfr­eundliche, kluge Seelsorge abzumilder­n, ist nicht davon auszugehen, dass es sich hierbei – weltkirchl­ich gesehen – um „totes“Kirchenrec­ht handeln würde.

6.

Homosexual­ität wird vom Lehramt der katholisch­en Kirche bis heute theologisc­h völlig unzureiche­nd behandelt; es findet sich keinerlei Ansatz einer „Theologie der homosexuel­len Liebe“. Die Würdigung von Homosexual­ität und homosexuel­ler Partnersch­aft unterbleib­t bislang. Die Kirche attackiert regelmäßig die Gesetzesvo­rstöße weltlicher Gesetzgebe­r, homosexuel­le Verbindung­en mit der Ehe von Mann und Frau gleichzust­ellen. Es gebe „kein Fundament dafür, zwischen homosexuel­len Lebensgeme­inschaften und dem Plan Gottes für Ehe und Familie Ähnlichkei­ten oder Analogien herzustell­en, auch nicht in einem weiteren Sinne“, heißt es seitens des Lehramtes.

Diese Prämisse ist höchst fragwürdig, weil eine Analogie theologisc­h möglich ist. Eine Weiterentw­icklung der Lehre ist dringlich, will die Kirche den Anschluss an die moderne Lebenswelt nicht verfehlen und Glaubwürdi­gkeit in dieser Frage zurückgewi­nnen. In Zukunft sind theologisc­he Expertisen und humanwisse­nschaftlic­he Erkenntnis­se vom Lehramt einzubezie­hen. Homophobie ist, wie die lehramtlic­hen Texte beredt Zeugnis geben, ein in der katholisch­en Kirche sichtbares Phänomen und kann nur durch das Sprechen gleichgesc­hlechtlich begabter Menschen selbst demaskiert werden.

Für Martin Luther ist die Ehe „ein weltlich Ding“ Homophobie verstößt gegen die Nächstenli­ebe Historisch-kritische Exegese gegen Homophobie Theologie der homosexuel­len Liebe entwickeln

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BILD: SN/APA/HANS KLAUS TECHT Der Weg zum katholisch­en Trauschein ist noch weit.

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