Steht die Verkehrspolitik der Stadt seit fast 100 Jahren still?
Erich Marx beleuchtet, wie sich das Verkehrsnetz der Stadt entwickelt hat. Und er ist überzeugt: „Eine Straßenbahn wäre möglich. Und der Durchzugsverkehr gehört endlich raus aus dem Zentrum.“
SALZBURG-STADT. Aus heutiger Sicht klingt es utopisch: Die Straßenbahn fährt, vom Bahnhof kommend über das Platzl die Staatsbrücke entlang, biegt über den Rathausplatz und den Kranzlmarkt auf den Alten Markt ein. Sechs Jahre später fährt sie dann auch durch die Churfürststraße und den Ritzerbogen über den Universitätsplatz, weiter durchs Neutor bis zum Beginn der Bayernstraße. Das war in Salzburg Realität – ab 1909 bzw. 1915/16 bis 1940 in Form der „Gelben Elektrischen“. Und auch der ab 1940 gestartet Obus nahm anfangs aus heutiger Sicht undenkbare Routen, wie Erich Marx er- zählt: „Er fuhr von der Staatsbrücke geradeaus durch den Rathausbogen, ein Stück durch die Getreidegasse, überquerte den Universitätsplatz und fuhr auch durch den Ritzerbogen.“Was sich manche Verkehrsaktivisten für die Zukunft schon lange wünschen, war damals also Realität.
Historiker Erich Marx (70), langjähriger Direktor des Salzburg Museums, wird in einem mit vielen alten Fotos unterlegten Vortrag, den er heute, Dienstag, hält, rund 150 Jahre zurückblicken: Ausgangspunkt sind die vier Jahrzehnte ab 1861. Damals erfuhr der Kernbereich der Stadt Salzburg (damals rund 20.000 Einwohner) durch die Schleifung der Befestigungsanlagen, die Stadterweiterung bis zum Bahnhof, die Salzach-Regulierung samt Uferstraßen sowie den Bau der Karolinen- und der Lehener Brücke eine grundlegende Veränderung seines Straßennetzes. Dieses war damals ausschließlich Pferdewagen, der Dampftramway sowie Fußgängern vorbehalten.
Allerdings, so Marx’ Analyse: Trotz des Baubooms in der Stadt, der explosionsartigen Entwicklung des Autoverkehrs („1946 gab es 1200 Autos, aktuell sind es 98.000“) sowie einer Vervielfachung der Wohn- und Arbeitsbevölkerung seither „erfolgten die letzten größeren Straßenneubauten vor fast 100 Jahren. Das waren die Alpen- und die Minnesheimstraße 1936/37 – und auch nur an der Stadtperipherie.“Zwar seien Umfahrungsprojekte in diversen Varianten – samt Tunnel durch Kapuzinerberg, Rainberg und Mönchsberg sowie neuen Salzbach-Brücken – geprüft und geplant, aber nie verwirklicht worden. „Stillstand im Straßenbau der Stadt Salzburg seit einem Jahrhundert – Fluch oder Segen?“lautet dementsprechend der provokante Titel seines Vortrags. Marx hält ihn für
„Verkehrsnetz ist fast wie 1895, als hier das erste Auto fuhr.“
GeoComPass, Salzburgs neue geographische Gesellschaft.
Der pensionierte Museumsdirektor, der sich auch als FPÖ-Gemeinderat (1981–1992) intensiv mit Verkehrspolitik beschäftigt hat, ist aber kein Fan weiterer Straßenbauten („dafür fehlen die freien Trassen“), sondern glühender Verfechter des Öffi-Ausbaus: „Eine Straßenbahn durch die Stadt ist möglich, wenn man will. Und der Durchzugsverkehr gehört raus aus dem Zentrum. Sonst verliert die Stadt immer noch weiter an Lebensqualität.“ Vortrag heute, 19.30 Uhr, Naturwissenschaftliche Fakultät, Hellbrunnerstraße 34, Blauer Hörsaal. Eintritt: 12 Euro; Studenten 9 Euro.