Puigdemont wähnt sich als Sieger
Aus dem Exil in Brüssel reklamiert Kataloniens Ex-Ministerpräsident das Amt erneut für sich. Dazu müsste er aber zurück nach Spanien.
Viele hatten Kataloniens ehemaligen Ministerpräsident Carles Puigdemont schon totgesagt, weil er aus der Ferne, vom selbst gewählten belgischen Exil aus, seinen Wahlkampf geführt hat. Doch der 54-Jährige überraschte. Die Wähler verhalfen ihm zu ausreichend Stimmen, um sich wieder zum Anführer der Separatistenbewegung aufzuschwingen. Das Unabhängigkeitslager konnte im katalanischen Regionalparlament seine absolute Mehrheit bestätigen, obwohl es nur 47,5 Prozent der Stimmen erreichte. Das beflügelt Puigdemont, das Amt des Ministerpräsidenten erneut zu beanspruchen.
Das Wahlergebnis sei „eine Ohrfeige“für Spaniens konservative Zentralregierung, sagte er am Freitag in Brüssel. „Der spanische Staat wurde bezwungen.“Madrids Plan, einen Machtwechsel in Katalonien herbeizuführen, sei gescheitert.
Puigdemont forderte den konservativen spanischen Regierungschef Mariano Rajoy auf, über die Unabhängigkeit Kataloniens zu verhandeln und die Zwangsverwaltung der Region zu beenden. Außerdem müsse man ihm eine Rückkehr nach Barcelona ermöglichen, damit er sein Abgeordnetenmandat antreten und für das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren könne. Weil er vom Obersten Gerichtshof beschuldigt wird, auf illegale Weise die Unabhängigkeit vorangetrieben zu haben, muss Puigdemont bei der Einreise nach Spanien mit seiner Verhaftung rechnen.
Seine Forderungen stützt der Separatist auf die Tatsache, dass die Unabhängigkeitsbewegung bei der Wahl die meisten Parlamentssitze gewonnen hat, wenn auch nicht die meisten Stimmen. Die gingen an die Unabhängigkeitsgegner. Zu denen zählen die prospanische Partei Ciudadanos (Cs), die Sozialisten, die Konservativen und die linksalternative Catalunya en Comú (CeC). Sie errangen zusammengerechnet etwas mehr als 52 Prozent der Stimmen. Aber dies brachte ihnen nur 65 Sitze ein. Da half es auch nicht, dass Ciudadanos mit der redegewandten Chefin Inés Arrimadas auf 25,3 Prozent kam und damit stärkste Partei Kataloniens wurde.
Bei den Befürwortern der Unabhängigkeit setzte sich mit 21,65 Prozent Puigdemonts Liste Junts per Catalunya an die Spitze, gefolgt von der Separatistenpartei Esquerra Republicana, die bei 21,39 Prozent landete. Die CUP kam auf 4,45 Prozent.
Zusammengerechnet reichte es für den der Separatisten, um mit 70 Abgeordnetenmandaten (zwei weniger als bei der Wahl 2015) die absolute Mehrheit zu holen, die bei 68 der 135 Parlamentssitze liegt. Zu Hilfe kam ihnen das Wahlrecht: Es begünstigt das dünn besiedelte katalanische Hinterland, wo die Separatisten stark sind.
Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy wies am Freitag darauf hin, dass sich auch eine neue Regionalregierung von Befürwortern der Unabhängigkeit an das Recht halten müsse – also keine einseitigen Schritte Richtung Abtrennung von Spanien unternehmen dürften. Die Neuwahl müsse eine „Rückkehr zur Legalität“in Katalonien einleiten. „Ich werde nicht zulassen, dass sie die Verfassung verletzen“, betonte Rajoy und verwies darauf, dass Spaniens Verfassung keine Abspaltung von Regionen erlaubt. Rajoy kündigte an, dass er sich um einen Dialog mit der künftigen Regierung bemühen, aber auch auf die Einhaltung des Gesetzes achten werde. Eine Forderung Puigdemonts, der sich außerhalb von Spanien mit Rajoy treffen wollte, lehnte der Premier ab.
Dass Puigdemont die Rückkehr an die Macht gelingen wird, bezweifelte die katalanische Oppositionsführerin Inés Arrimadas. Tatsächlich liegt Puigdemonts Schicksal eher in der Hand der Justiz als in der Hand der spanischen Zentralregierung. Der Untersuchungsrichter müsste den Haftbefehl gegen ihn aufheben und ihm so ermöglichen, ins Parlament nach Barcelona zu kommen, um sein Regierungsprogramm vorzustellen.
Sehr wahrscheinlich ist dieses Szenario derzeit nicht. Puigdemont gilt als Kopf jenes Komitees, gegen das wegen Rebellion, Anzettelns eines Aufstands und Veruntreuung von Steuergeld ermittelt wird.
Wegen des gleichen Vorwurfs sitzen sein früherer Stellvertreter Oriol Junqueras und sein Ex-Innenminister Joaquim Forn in U-Haft. Beide eroberten aus dem Gefängnis heraus Mandate. Soweit sie die nicht an Nachrücker abgeben, könnte das die absolute Mehrheit der Separatisten in Gefahr bringen und somit die Regierungsbildung gefährden.
Bis zum 23. Jänner muss das Parlament seine konstituierende Sitzung einberufen. Spätestens bis Anfang April muss ein Ministerpräsident vereidigt sein. Sollte dies nicht gelingen, droht wieder Neuwahl.
„Der spanische Staat wurde bezwungen.“