Amerikas Drohungen beeindruckten nicht
Die USA sind in der Jerusalem-Frage weltweit isoliert. Nur acht von 193 Nationen stehen auf der Seite Donald Trumps.
Am Ende einer leidenschaftlichen Debatte bei der Dringlichkeitssitzung der Vereinten Nationen stand ein klares Ergebnis. In einem Akt kollektiver Zurückweisung verurteilte die UNO-Vollversammlung die einseitige Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die amerikanische Regierung. 128 der 193 Mitgliedsstaaten forderten die USA auf, die Entscheidung vom 6. Dezember rückgängig zu machen. Nur neun Staaten beugten sich dem Druck aus Washington, 35 enthielten sich der Stimme, darunter viele afrikanische Staaten, aber auch Ungarn, Polen, Litauen, die Tschechische Republik, Rumänien und Kroatien. Dasselbe gilt für Australien und Kanada.
Zu den Ja-Stimmen gehören neben allen Mitgliedern des Weltsicherheitsrats auch Deutschland und Österreich. Aber auch die Türkei, Ägypten und Saudi-Arabien, allesamt Verbündete der USA, stimmten gegen Washington.
Auf der Seite Donald Trumps standen Togo, Guatemala, Honduras, die Marshall-Inseln, Mikronesien, Pala, Nauru und Israel.
Die Vollversammlung drückte in der nicht bindenden Resolution „tiefes Bedauern“über „jüngste Entscheidungen im Hinblick auf den Status Jerusalems“aus. Es liege Thomas Spang berichtet für die SN aus den USA nicht an einzelnen Ländern, Fakten zu schaffen.
Sowohl Israel als auch die Palästinenser erheben Ansprüche auf die im Sechs-Tage-Krieg zur Gänze von Israel eroberte Stadt. Während der jüdische Staat seitdem verlangt, Jerusalem als seine unteilbare Hauptstadt anzuerkennen, sehen die Palästinenser den Ostteil als Sitz der künftigen Regierung eines unabhängigen Palästinenserstaats.
Die Vereinten Nationen forderten alle Mitgliedsstaaten auf, davon abzusehen, diplomatische Missionen in Jerusalem zu eröffnen.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geißelte die Vereinten Nationen als „Haus der Lügen“. Er verglich das Abstimmungsergebnis mit einer Resolution aus dem Jahr 1975, in dem die Vollversammlung den Zionismus als eine Form von Rassismus brandmarkte. „Es ist eine Schande, dass dieses Treffen überhaupt stattgefunden hat“, sagte der israelische Regierungschef.
Dagegen freute sich der palästinensische Außenminister Riad Malki über das klare Ergebnis der vom Jemen und der Türkei eingebrachten Erklärung: „Das ist ein Sieg für Palästina.“
Die amerikanische UNO-Botschafterin Nikki Haley reagierte verschnupft auf die Zurückweisung. „Wir werden uns daran erinnern, wenn es demnächst darum geht, das die USA wieder einmal die größten Geber der Vereinten Nationen sein sollen“, betonte sie.
Vor der Abstimmung hatte Haley in einem beispiellosen Schreiben an die UNO-Botschafter der anderen Mitgliedsstaaten offen mit Konsequenzen für Nationen gedroht, die sich in der Jerusalem-Frage gegen die USA stellen. „Wir werden uns jede einzelne Stimme bei die- sem Thema merken“, warnte sie ihre Kollegen. „Bedenken Sie, dass der Präsident und die USA diese Abstimmung persönlich nehmen.“
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan rief die UNOMitglieder vor der Abstimmung trotzig dazu auf, sich nicht einschüchtern zu lassen. „Herr Trump, Sie können den demokratischen Willen der Türkei nicht mit Ihren Dollar kaufen“, sagte Erdoğan. Kein ehrenhafter Staat werde sich dieser Art von Druck beugen. Analysten halten die finanziellen Drohungen der USA für wenig glaubhaft. Die größten Empfänger amerikanischer Hilfe, Afghanistan, Ägypten, der Irak, Jordanien und Pakistan, erhalten die Unterstützung vor allem, weil dies im nationalen Sicherheitsinteresse der USA liegt.
Problematischer sieht es bei den Leistungen aus, die in Form von Entwicklungshilfe fließen. Da China bereitsteht, die Lücke zu schließen, die ein amerikanischer Rückzug aus Afrika und anderen Regionen hinterließe, halten Experten aber auch diese Drohung für nicht sehr plausibel. Die USA gäben damit ohne Not ihren Einfluss auf diese Länder auf. Das stärkste Druckmittel Washingtons blieben Beiträge zu den Vereinten Nationen selbst, wo die USA der mit Abstand größte Beitragszahler sind.
Letztlich entscheiden aber nicht Trump oder Haley, sondern der US-Kongress über direkte Zuwendungen an andere Staaten oder internationale Organisationen. Angesichts der knappen Ein-Stimmen-Mehrheit der Republikaner im Senat sieht es wenig danach aus, dass sich dort eine Mehrheit für etwas findet, das US-Analysten für ein diplomatisches Eigentor halten.