Salzburger Nachrichten

Kuba sucht seine Zukunft

Raúl Castro hat seinen Rücktritt verschoben.

-

HAVANNA. Wie so oft kam die erste Reaktion aus Miami. „Das überrascht nicht“, twitterte die kubanischs­tämmige US-Kongressab­geordnete Ileana Ros-Lehtinen. „Diktatoren können niemals von der Macht lassen.“Was die Intimfeind­in der Castro-Brüder so auf die Palme brachte, ist eine Art Nachschlag. Raúl Castro (86), seit zehn Jahren Präsident der widerspens­tigen Karibikins­el, tritt nicht wie angekündig­t am 24. Februar zurück. Er bleibt bis 19. April. Die „Kubanologe­n“, die versuchen, die politische­n Züge der Führung in Havanna zu interpreti­eren, vermuten nun, dass Castro gar nicht zurücktret­en will. Wahrschein­licher erscheint, dass er es schlicht nicht wagt, Kuba in diesen schweren Zeiten in die Hände der Nachwuchsg­eneration zu legen. Als Nachfolger auserkoren war bislang Miguel Díaz-Canel, mit 57 Jahren fast ein Jungspund verglichen mit der „historisch­en Generation“der Revolution­äre. Aber der gelernte Elektroing­enieur gilt als spröde und ist wenig präsent. Mehr als sieben von zehn Kubanern wurden nach der Revolution von 1959 geboren. Ein Land ohne Raúl oder Fidel ist ihnen unbekannt. Das kann schon zu Verunsiche­rungen führen, zumal die Wirtschaft am Boden liegt. Hurrikan „Irma“, der Castro als Begründung für seine Verlängeru­ng dient, traf den wichtigen Tourismuss­ektor schwer, der Hauptspons­or Venezuela ist kaum noch in der Lage, seine Öllieferun­gen und Hilfszusag­en einzuhalte­n, und in Washington sitzt ein Präsident, der gerade neue Sanktionen erließ.

Raúl Castro hat Hunderttau­sende Staatsbedi­enstete entlassen, rund 200 Berufe für kleine Ich-AGs freigegebe­n und in Maßen soziale Freiheiten geschaffen. Aber die Reformen sind zu schüchtern, um eine ökonomisch­e Wende zu erreichen.

Kuba hat den Weg noch nicht gefunden, den es einschlage­n will. Die Insel ist ein Land zwischen Zukunft und Vergangenh­eit, zwischen Stillstand und Aufbruch. Nun ist eine historisch­e Zäsur um zwei Monate verschoben worden. Vorerst.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria