Einer rockt und einer wartet aufs Christkind
Musikalisch desaströser Bruderzwist: Einst waren Noel und Liam als Oasis die ziemlich größte Band unter den Sternen. Jetzt? Leider nichts.
SALZBURG. Liam Gallagher singt großartig. Sein Bruder Noel schreibt bisweilen großartige Songs. Zusammen ergibt das Oasis. Das war eine der erfolgreichsten Bands der 1990er-Jahre. Übergroß und großkotzig waren die Brüder. Melodiös und melodramatisch war ihr Sound, röhrender Rock und süffige Seligkeit verbanden sie. Diese Brüder aus Manchester beherrschten alles. Klingt nach großer Poptraumerfüllung. Blöd ist, dass ein Bruderzwist im Hause Gallagher uns Oasis geraubt hat. Wir müssen mit Solowerken auskommen.
Nun gibt es neue Alben. Für Noel, den Jüngeren, ist es das dritte unter dem Namen „Noel Gallagher’s High Flying Birds“. Liam liefert seine Solopremiere. Dass beide Werke gleichzeitig erscheinen, lässt vor einem Blick auf die Kunst den Schluss zu: Das Duell geht weiter, auch wenn die beiden nun – knapp vor Weihnachten – eine Art Waffenstillstand geschlossen haben. Britische Medien schreiben dazu gar von einem „Weihnachtswunder“, dabei hatte Liam nur getwittert, er freue sich, seinen Bruder wiederzusehen.
Vor ein paar Wochen im Vorfeld der Veröffentlichung der Alben haben sie sich noch verbal duelliert. Da klingt ein Lob so: „Ich liebe ihn, man. Am Ende des Tages ist er immer noch mein Bruder. Er ist nur so verdammt versnobt. Ein wenig pompös. Ein wenig … wie all die anderen Arschlöcher hier“, sagt Liam. Er hat es nötiger, auf sich aufmerksam zu machen. Für ihn ist sein Solodebüt „As You Were“die Rettung vor dem Verschwinden.
Nach dem Oasis-Ende vor acht Jahren hatte er kurz eine Band. Dann nichts mehr. „Ich habe eine Zeit lang sehr oft sehr gründlich den Rasen gemäht und bin dabei innerlich vor die Hunde gegangen“, sagt er. Ein Gedanke verfolgte ihn: „Ich habe keine Band. Ich habe keine Songs. Möglicherweise wird es nie wieder Musik von mir geben.“
„As You Were“hört sich an wie ein Nachhall früherer Zeit. Liam setzt auf die Kraft der frühen 90erJahre, als er mit seinem Bruder das große britische Pop-Erbe zusammenführte. Oasis – das waren Beatles und Sex Pistols in einem, PopSeligkeit und Punkattitüde in Eintracht. Die Mischung aus unwiderstehlich rockigem Pop und einer Scheiß-dir-nichts-Haltung erklärt auch die endlose Begeisterung der Briten für diese ewigen Buben. Liam und Noel vereinen – jedenfalls pop- kulturell – das Inselreich. Wenig von dieser Kraft lässt Liam auf dem Soloalbum hören, auch wenn er bei vielen Gelegenheiten den alten Zeiten nachweint. Und er sagt auch: „Ich hätte Oasis lieber als eine Solokarriere.“Die Songs sind okay, mehr nicht.
Noch weniger von früherer Größe bietet Noel. Was bei Liam an mangelnder Qualität liegt, folgt bei Noel einer Überlegung. Er, einst Musikhirn und Spielhand von Oasis, will nicht in alten Zeiten hängen bleiben.
Acht Songs bietet er. Dazu gibt es auch drei Instrumentalnummern. Gut möglich, dass sich Bruder Liam, der Sänger, beim Anhören in Schmerz gewunden hat. Noels „Who Built The Moon?“ist ambitioniert, erreicht psychedelische Tiefe, aber ein großes Ding ist es auch nicht.
Es ist halt so, dass Streitereien und eine Vorweihnachtsversöhnung das Geschäft beleben. Kreativität wird allerdings beflügelt. Beide Soloalben sind okay. Aber nur eine halbe Sache.
Jetzt erst wird bittere Gewissheit, wie furchtbar jener Moment war, als Liam einst die Gitarre seines Bruders zertrümmert hat. Das ist nämlich die Legende vom Anfang des Endes von Oasis.
Jetzt ist jeder für sich. Das ist ein Jammer.
„Ich habe Rasen gemäht und bin dabei innerlich vor die Hunde gegangen.“