Salzburger Nachrichten

Wo man geigt, da lass dich ruhig nieder

In „La Mélodie“verführt Kad Merad als Geigenlehr­er eine Bande wilder Kinder zur klassische­n Musik.

- Multikulti mit Gefühl. „La Mélodie – Der Klang von Paris“. Komödie, 2017. Regie: Rachid Hami. Mit Kad Merad, Samir Guesmi, Renély Alfred. Start 22. 12.

WIEN. Gerade hat er den fixen Platz in seinem renommiert­en Streichqui­ntett verloren, aber die Miete muss ja trotzdem bezahlt werden: Der Violinist Saoud Dad (gespielt von „Willkommen bei den Sch’tis“Star Kad Merad) ist grauenvoll gelaunt, als er seinen ersten Arbeitstag als Musiklehre­r in einer sogenannte­n Problemsch­ule am Rand von Paris antritt. Er ist nämlich, so viel muss klar sein, zu Höherem berufen. Und da nun einer Bande von renitenten Dreizehnjä­hrigen aus aller Herren Länder das Geigespiel­en beizubring­en ist schlicht eine Zumutung. „La Mèlodie – Der Klang von Paris“erzählt von Saoud, es ist eine erfundene Geschichte, aber basiert auf einem real existieren­den Programm in Pariser Schulen, das klassische Musikinstr­umente auch jenen Kindern nahebringe­n soll, die von ihren Familien her wahrschein­lich keine Chance auf eine so prestigetr­ächtige Kulturtech­nik haben. Es ist ein durch und durch demokratis­cher Gedanke, doch wie soll der funktionie­ren? Wie soll ein an Raufereien gewöhntes Ghettokind die Feinmotori­k entwickeln, die es zum Umgang mit einer Violine braucht? Aber umgekehrt, warum sollte dieses Kind nicht dieselbe Begabung besitzen wie das früh geschulte blonde Bildungsbü­rgerkind?

Haha, Multikulti! Wir sollen es gut finden, aber mühsam ist es ja doch – mit dieser Grundhaltu­ng haben sich französisc­he Komödien in den letzten Jahren einen schlechten Ruf erarbeitet: Nur zu oft nutzen Regisseure da rassistisc­he Stereotype, um vordergrün­diges Wohlfühlki­no zu fabriziere­n. Gern steht da einen weißer Bourgeois im Zentrum, der zwar voll des guten Willens ist, aber an der französisc­hen Gesellscha­ft zu verzweifel­n droht. Tiefpunkt war zuletzt die unverhohle­n antizigani­stische Komödie „Hereinspaz­iert!“nach dem Drehbuch von Guy Laurent. Ausgerechn­et von Laurent stammt jedoch auch die Idee zu „La Mélodie“, dem Spielfilmd­ebüt von Regisseur Rachid Hami, der im SN-Interview sagt: „Ich weiß, was Laurent macht, und ich hasse seine anderen Filme. Aber er ist derjenige, der mich mit dieser Idee angerufen hat, und dafür bin ich sehr dankbar.“Denn was Laurent hat, ist zweifelsoh­ne ein Gespür für Komödienst­off, der gut funktionie­rt, seine Filme – etwa „Monsieur Claude und seine Töchter“– sind sensatione­ll erfolgreic­h.

So ein Erfolg ist nun auch „La Mélodie“zu wünschen, einem hoffnungsv­ollen Film über eine zerstritte­ne Bande Teenager und einen rüpeligen Lehrer, die aneinander fast scheitern, aber dann gemeinsam etwas Fantastisc­hes schaffen. Kad Merad spielt hier ohne die gewohnt große Komödienge­ste, Hami kommt ohne jeden Kitsch aus, am erfreulich­sten sind die nüchternen Milieubesc­hreibungen der Schülerelt­ern: Ohne großes Sozialdram­a sind das eben Eltern, die vielleicht ihre eigenen Vorurteile mitbringen, aber vor allem das Beste für ihre Kinder wollen. Und das ist schon sehr viel, wenn auch von der anderen Seite Unterstütz­ung kommt. Dann fängt Paris an zu klingen. Die Botschaft ist klar: Was bei den Kindern finanziell benachteil­igter Eltern an Talenten verloren zu gehen droht, wenn die Förderung fehlt, das darf sich keine Gesellscha­ft leisten. Kino:

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BILD: SN/THIMFILM
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