Wo man geigt, da lass dich ruhig nieder
In „La Mélodie“verführt Kad Merad als Geigenlehrer eine Bande wilder Kinder zur klassischen Musik.
WIEN. Gerade hat er den fixen Platz in seinem renommierten Streichquintett verloren, aber die Miete muss ja trotzdem bezahlt werden: Der Violinist Saoud Dad (gespielt von „Willkommen bei den Sch’tis“Star Kad Merad) ist grauenvoll gelaunt, als er seinen ersten Arbeitstag als Musiklehrer in einer sogenannten Problemschule am Rand von Paris antritt. Er ist nämlich, so viel muss klar sein, zu Höherem berufen. Und da nun einer Bande von renitenten Dreizehnjährigen aus aller Herren Länder das Geigespielen beizubringen ist schlicht eine Zumutung. „La Mèlodie – Der Klang von Paris“erzählt von Saoud, es ist eine erfundene Geschichte, aber basiert auf einem real existierenden Programm in Pariser Schulen, das klassische Musikinstrumente auch jenen Kindern nahebringen soll, die von ihren Familien her wahrscheinlich keine Chance auf eine so prestigeträchtige Kulturtechnik haben. Es ist ein durch und durch demokratischer Gedanke, doch wie soll der funktionieren? Wie soll ein an Raufereien gewöhntes Ghettokind die Feinmotorik entwickeln, die es zum Umgang mit einer Violine braucht? Aber umgekehrt, warum sollte dieses Kind nicht dieselbe Begabung besitzen wie das früh geschulte blonde Bildungsbürgerkind?
Haha, Multikulti! Wir sollen es gut finden, aber mühsam ist es ja doch – mit dieser Grundhaltung haben sich französische Komödien in den letzten Jahren einen schlechten Ruf erarbeitet: Nur zu oft nutzen Regisseure da rassistische Stereotype, um vordergründiges Wohlfühlkino zu fabrizieren. Gern steht da einen weißer Bourgeois im Zentrum, der zwar voll des guten Willens ist, aber an der französischen Gesellschaft zu verzweifeln droht. Tiefpunkt war zuletzt die unverhohlen antiziganistische Komödie „Hereinspaziert!“nach dem Drehbuch von Guy Laurent. Ausgerechnet von Laurent stammt jedoch auch die Idee zu „La Mélodie“, dem Spielfilmdebüt von Regisseur Rachid Hami, der im SN-Interview sagt: „Ich weiß, was Laurent macht, und ich hasse seine anderen Filme. Aber er ist derjenige, der mich mit dieser Idee angerufen hat, und dafür bin ich sehr dankbar.“Denn was Laurent hat, ist zweifelsohne ein Gespür für Komödienstoff, der gut funktioniert, seine Filme – etwa „Monsieur Claude und seine Töchter“– sind sensationell erfolgreich.
So ein Erfolg ist nun auch „La Mélodie“zu wünschen, einem hoffnungsvollen Film über eine zerstrittene Bande Teenager und einen rüpeligen Lehrer, die aneinander fast scheitern, aber dann gemeinsam etwas Fantastisches schaffen. Kad Merad spielt hier ohne die gewohnt große Komödiengeste, Hami kommt ohne jeden Kitsch aus, am erfreulichsten sind die nüchternen Milieubeschreibungen der Schülereltern: Ohne großes Sozialdrama sind das eben Eltern, die vielleicht ihre eigenen Vorurteile mitbringen, aber vor allem das Beste für ihre Kinder wollen. Und das ist schon sehr viel, wenn auch von der anderen Seite Unterstützung kommt. Dann fängt Paris an zu klingen. Die Botschaft ist klar: Was bei den Kindern finanziell benachteiligter Eltern an Talenten verloren zu gehen droht, wenn die Förderung fehlt, das darf sich keine Gesellschaft leisten. Kino: