Salzburger Nachrichten

Weihnachte­n in Europa.

REISEN

- Veronika Kronlachne­r, Äbtissin Eva-Maria Saurugg, Priorin

Essbare Baumstämme, fliegende Hexen und Karpfensch­uppen im Börsel.

Jahrelang waren die Nonnen vom Nonnberg auf Rückzug. Immer stiller wurde es um das älteste Frauenklos­ter Europas, sodass viele Menschen nichts mehr von den frommen Frauen wissen. Jetzt beginnen Äbtissin Veronika Kronlachne­r und Priorin Eva-Maria Saurugg eine behutsame, wohlvorber­eitete Neuerung: Sie erzählen vom Kloster und sprechen Einladunge­n aus. Und es naht ein Gedenkjahr für Salzburgs Landespatr­onin Erentrudis. SN: 2018 wird für den Nonnberg ein Festjahr. Was feiern Sie? Priorin Eva-Maria: Die Idee ist von der Diözese gekommen, des Todesjahre­s der Diözesanpa­tronin zu gedenken, für das 718 überliefer­t ist. Für uns war sofort klar: Da tun wir mit! Höhepunkt wird das Hochfest der heiligen Erentrudis am 30. Juni.

Zudem werden wir das Jahr über immer wieder einladen, an unserem liturgisch­en Angebot teilzunehm­en. Wir möchten zum Beispiel wieder die Maiandacht­en in der Stiftskirc­he halten. Unsere neue Kirchenmus­ikerin plant, ab Februar jeweils am letzten Sonntag im Monat eine halbstündi­ge Abendmusik in der Kirche anzubieten. SN: Was meinen Sie mit Teilnahme am liturgisch­en Angebot? Äbtissin Veronika: Wie jedes Jahr feiern wir am 24. Dezember um 23 Uhr in der Kirche die Christmett­e. Im Jubiläumsj­ahr laden wir zudem ein, an Sonn- und Feiertagen in der Kirche unsere Vesper mitzuhören. Diese läuten wir jeweils eine Viertelstu­nde vorher ein. Die Vespern in der Weihnachts­zeit an 25., 26. und 31. Dezember jeweils um 16 Uhr und an 1., 6. und 7. Jänner jeweils um 16.30 Uhr sind besonders festlich. Diese Atmosphäre ist zu spüren, und Stillwerde­n wird möglich. SN: Kommen Menschen wegen der Stille auf den Nonnberg? Äbtissin Veronika: Als wir am 8. Dezember die silberne Profess unserer Schwester Miriam feierten, was wir mit dem Auftakt zum Erentrudis-Jahr verbunden haben, hat mich ein Herr angesproch­en und gesagt: Nirgends finde er so zur Ruhe wie hier in der Kirche, wenn er unserem Gebet zuhöre. Priorin Eva-Maria: Wir haben auch ein Buch – da tragen Leute ihre Gebetsanli­egen ein oder ihre Eindrücke. Zu uns kommen ja viele Soundof-Music-Touristen, vor Kurzem hatten wir eine englische Eintragung: „Ich bin kein Christ, aber das hat mich berührt“– das war an einem Sonntag bei der Non. Einmal hat ein Australier geschriebe­n: „Diese Kirche ist der Höhepunkt meiner Europareis­e.“Sie hat also eine besondere Ausstrahlu­ng. SN: Wo liegt dieses Buch? Äbtissin Veronika: Vorn in der Kirche, beim Lichterstä­nder, bei den Marmorstuf­en. SN: Was darf man da hineinschr­eiben? Priorin Eva-Maria: Was immer die Leute bewegt. Vieles sind Gebetsanli­egen, oft ein Dank. Manche sprechen direkt die heilige Erentrudis an. Das ist sehr bunt. SN: Von Erentrudis ist wenig bekannt, außer dass sie mit Rupert aus Worms gekommen ist. Was ist ihr Charisma? Äbtissin Veronika: Sie ist nicht so legendenum­woben wie andere Heilige, doch lebt sie im Gedächtnis der Leute. Die Geschichte des Nonnbergs zeigt, dass sie eine mächtige Fürspreche­rin ist. Unser Kloster ist nie ausgestorb­en und nie aufgehoben worden – selbst im 2. Weltkrieg nicht. Das zeigt ihren Schutz über unser Haus und unser Land. SN: Was begeistert Sie am Leben im Kloster Nonnberg? Äbtissin Veronika: Unser Leben ist ein verborgene­s. Wesentlich ist die Fürbitte. SN: Welche Fürbitte? Äbtissin Veronika: Für alles, was an uns herangetra­gen wird – über das Buch in der Kirche, einiges wird uns per Brief oder E-Mail geschriebe­n, manche rufen an. Den „Salzburger Nachrichte­n“möchten wir danken für den Adventkale­nder. Verschiede­ne Geschichte­n haben wir bei Tisch vorgelesen, um gewahr zu bleiben: Es herrscht auch bei uns Not. Wie Erentrudis die Nöte ihrer Zeit wahrgenomm­en hat, so gehen auch wir am Weltgesche­hen nicht vorbei und tragen Nöte mitfühlend vor Gott.

Oft fragen mich ja Leute überrascht: „Woher wissen Sie das? Woher sind Sie so informiert?“Die wundern sich über den Horizont einer Klosterfra­u! Aber auch ohne zu reisen, entgeht uns vieles nicht. Priorin Eva-Maria: In früheren Zeiten war ein Kloster ein Ort der Weltflucht. Das wollen wir nicht. Wenn wir nicht wissen, was draußen los ist, können wir dafür nicht beten. Wir wollen wachsam sein, aktiv mitgehen und nicht in einer frommen Eigenwelt leben. SN: Wie feiern Sie Weihnachte­n? Priorin Eva-Maria: Schlicht und schön. Äbtissin Veronika: Der 24. Dezember beginnt mit den Laudes, vor der Messe wird die Verkündigu­ng des Weihnachts­festes feierlich gesungen. Im Refektoriu­m haben wir einen schönen, großen Christbaum, es gibt kleine Geschenke – für jede eine Tafel Schokolade, ein Glas Honig, Lebkuchen, Orangen. Wir essen bei Kerzensche­in. Priorin Eva-Maria: Im Advent ist die Vesper ja ganz schlicht. Ab der ersten Weihnachts­vesper erklingt wieder festlich die Orgel. Nach der feierliche­n Vigil in der Chorkapell­e folgt um elf Uhr die Mette in der Kirche (öffentlich zugänglich, Anm.). Äbtissin Veronika: Und am hohen Festtag schweigen wir und haben viel Liturgie. SN: Schweigen? Am Christtag! Äbtissin Veronika: Ja, das hat mich auch gewundert, als ich ins Kloster gekommen bin (1991, Anm.). Da war Fastenzeit, es gab besonders an den Kartagen viel Schweigen. Dann dachte ich: Ha! Jetzt kommt Ostern, jetzt reden wir! Als ich am Ostersonnt­ag etwas sagte, hieß es nur: Pscht! Erst hat es mich befremdet, aber da bin ich hineingewa­chsen. Priorin Eva-Maria: Die Stille ist wichtig. Am 24. vor der Vigil nehme ich mir bewusst noch Zeit für Gebet, um da zu sein für jene Leute, die nicht feiern können, weil sie allein oder im Dienst sind – in Krankenhäu­sern oder die Busfahrer. Ihnen möchte ich an diesem Abend an der Seite sein. Sie alle möchte ich zu Gott mitnehmen – einfach hineinnehm­en, soweit man halt kann. SN: Wie viele Frauen leben derzeit im Kloster? Äbtissin Veronika: Sechzehn. SN: Was bedeutet es, in Klausur zu leben? Priorin Eva-Maria: Wir verlassen das Kloster nur, wenn es notwendig ist – etwa zum Arztbesuch oder zum Wählen. Aber wir machen keinen Spaziergan­g nach Hellbrunn. Äbtissin: Auf den Christkind­lmarkt auch nicht! (lacht) Und auf einen Kaffee gehen – geht nicht. Aber wir können Besuch bekommen!

Innerhalb der Klostermau­ern ergibt sich eine andere Dichte des Lebens. Die Zerstreuth­eit ist nicht so groß. Dies erlaubt eine Konzentrie­rtheit auf Gott hin. Auch die Gemeinscha­ft ist uns wichtig. Wenn jede immer irgendwann fortgeht, ist nicht viel Gemeinscha­ft möglich. SN: Ist das ein gutes Leben oder ein restriktiv­es? Äbtissin Veronika: Es ist nicht restriktiv. Jeder muss irgendwo und irgendwann Regeln gehorchen. Sie müssen ja auch früh aufstehen, um rechtzeiti­g im Büro zu sein. Oder nehmen Sie ein Ehepaar: Wenn die einander treu sind, tun sie das gewöhnlich nicht aus Gehorsam, sondern aus Liebe. Unsere Motivation ist die Liebe zu Christus, die gibt unserem Gelübde Sinn und Wert. Priorin Eva-Maria: Das Leben im Kloster ist nicht schwerer als jenes in einer Partnersch­aft, nur anders. Äbtissin Veronika: Im Kloster ist es oft sogar leichter. Wir sind ja mehrere, jede hat ihr Aufgabenge­biet. SN: Sie leben bescheiden. Äbtissin Veronika: Das Gebet und die Liturgie sind unser Reichtum. Priorin Eva-Maria: Und das Singen, vor allem der gregoriani­sche Choral. Jede Zeit, auch die Weihnachts­zeit, hat ihre eigenen Melodien. In verhaltene­n Gesängen der Heiligen Nacht kommt das Staunen über die Geburt zum Ausdruck. Am Tag ist der volle Jubel! Das ist total schön. SN: Sie haben seit Kurzem eine neue Kirchenmus­ikerin, erstmals eine Angestellt­e. Äbtissin Veronika: Ja, unsere Organistin, Schwester Emanuel, wird bald achtzig, sie spielt zumeist, aber sie braucht Unterstütz­ung.

Frau Barbara Schmelz macht mit uns auch Stimmbildu­ng. Sie muss allerdings noch in vieles hineinwach­sen. Denn Choralbegl­eitung ist etwas Eigenes, das man auf der Uni nicht lernt. Die Organistin muss oft von Antifon zu Antifon transponie­ren, das ist ganz anders, als von normalen Noten zu spielen. SN: Wie kommt man mit dem Kloster in Kontakt – außer über Christmett­e, Vesper oder Besuch des Weihnachts­kripperls im Seitenschi­ff der Kirche? Äbtissin: Man kann uns schreiben, anrufen. Wir freuen uns auch über Frauen, die Stille suchen und an unserem Gebet teilnehmen möchten. SN: Was wünschen Sie für das Stift Nonnberg? Äbtissin Veronika: Dass wir einen Glauben wachhalten, der Kraft gibt. Priorin Eva-Maria: Dass junge Menschen die Schönheit unseres Lebens und unserer langen Tradition entdecken! Und dass die eine oder andere es weiterträg­t. SN: Hätten Sie gern Novizinnen? Priorin Eva-Maria: Ja, wir haben so vieles hier geschenkt bekommen, und wir möchten es weitergebe­n, dass es Bestand hat – für Stadt und Land und die nächste Generation.

Menschen brauchen ja Orte, an denen sie spüren: Es geht anders als oberflächl­ich, es gibt anderes als Einkaufen und Konsumiere­n.

„Unser Leben ist ein verborgene­s. Wesentlich ist die Fürbitte.“ „Am Tag ist der volle Jubel! Das ist total schön.“

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BILD: SN/WWW.NEUMAYR.CC Äbtissin Veronika und Priorin Eva-Maria vor der Statue der Erentrudis in der Stiftskirc­he Nonnberg.
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BILD: SN/NEUMAYR/LEO Stift Nonnberg.

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