Kommt der Dienstmann zurück?
Uralte Traditionsberufe wie Hufschmied oder Fassbinder haben den Sprung ins 21. Jahrhundert geschafft. Nicht allen gelingt das.
WIEN. Wissen Sie, was ein Abtrittanbieter ist? Oder was die Aufgabe des im Mittelalter hoch angesehenen Berufs des Beinschneiders war?
Letzterer beschäftigte sich damit, das begehrte (und damals noch nicht geschützte) Elfenbein zu Gegenständen wie Dolchgriffen, Kämmen oder Buchdeckeln zu verarbeiten. Und Abtrittanbieter waren „Männer und Frauen, die sich in größeren Städten als wandelnde Bedürfnisanstalten ihr Geld verdienten, indem sie Bürgern, die ihre Notdurft öffentlich verrichten mussten, einen Kübel und Schutz vor neugierigen Blicken anboten“, erläutert Autor Rudi Palla in seinem Buch „Verschwundene Arbeit“.
Was sich amüsant anhört, spiegelt nur den täglichen Bedarf vergangener Zeiten wider. Eine andere Lebensweise bringt andere Berufsbilder mit sich, beide sind einem permanenten Wandel unterworfen.
Deutlich sichtbar wird das in der Verfilmung historischer Stoffe wie der Romane von Charles Dickens. Damals prägten noch Berufe wie Scherenschleifer, Korbflechter oder Hufschmied das Straßenbild. Im Unterschied zu den Abtrittanbietern gibt es diese Berufe noch – sie führen heute aber im Vergleich zu früher ein Schattendasein.
Und doch kommt es immer wieder vor, dass ein vermeintlich zum Aussterben verurteilter Beruf unvermutet neue Aktualität bekommt. Nicht immer ist es ein großer Boom, aber es kommt doch allenthalben vor, dass die Spezialisten eines weitgehend verschwundenen Handwerks unvermutet wieder nachgefragt werden und sich für sie eine einträgliche Nische auftut.
Eine solche Renaissance hat etwa die alte Zunft der Hufschmiede in den 1980er-Jahren erfahren. Damals ging plötzlich die Nachfrage nach diesem Beruf steil nach oben, erinnert sich Wilfried Wallner. Er ist gelernter Hufschmied, Leiter der Hufbeschlagsschule Stadl-Paura und Obmann des Österreichischen Hufschmiede-Verbands ÖHV. „Das Pferd wurde zu einer stark nachgefragten Freizeitbeschäftigung, dazu kam, dass sich viele Menschen das auf einmal leisten konnten“, sagt er.
An Nachwuchs fehlt es nicht. „Viele junge Leute interessieren und bewerben sich“, weiß Wallner. Für sie gibt es fast zu wenige Ausbildungsstellen. Sorgen macht Wallner vielmehr die Tatsache, dass der Hufschmied von der vorigen SPÖÖVP-Bundesregierung als Gewerbe freigegeben wurde, sodass mittlerweile jeder diesen Beruf ohne einschlägige Ausbildung und Befähigungsnachweis ausüben kann – „zum Schaden von Pferd, Besitzern und nicht zuletzt den Lehrlingen“.
Die Zeit der starken Zuwächse ist vorbei, aber Nachfrage und auch die Zahlen sind mittlerweile stabil. Zirka 300 Hufschmiedbetriebe gibt es österreichweit, auch die Zahl von rund 140.000 Pferden ist weitgehend stabil. Der überwiegende Teil davon kommt im Freizeitbereich zum Einsatz, weitere jeweils zehn bis fünfzehn Prozent im Sport oder in der Zucht. Arbeitspferde gibt es nur noch wenige, wenngleich sie gerade jetzt im Winter sehr gefragt sind, beispielsweise um an Tourismusorten Schlitten zu ziehen.
Ständig im Einsatz sind Pferde freilich in Städten wie Salzburg oder Wien als Fiaker. Der Name des französischen Heiligen Fiacre ging auf den gesamten Berufsstand über, weil der erste offiziell bewilligte Lohnkutscherdienst im Paris des Jahres 1680 seinen Stand vor dem Pariser Hotel St. Fiacre hatte. Gründer und Betreiber des Unternehmens war Nicholas Sauvage.
Mit etwas Fantasie könnte man auch neue internetbasierte Vermittlungsplattformen wie Uber als Modernisierungsschub für den traditionsreichen Berufsstand der Lohnkutscher sehen. Das Verkehrsmittel hat sich geändert, aber die Tätigkeit, die bezahlte Personenbeförderung von A nach B, ist im Prinzip seit damals unverändert. Der gesamten Branche könnte freilich ein massiver Wandel bevorstehen, wenn selbstfahrende Autos, Busse und andere Verkehrsmittel menschliche Fahrer ersetzen – aber das ist derzeit noch Zukunftsmusik.
Einem in unseren Breiten tatsächlich bereits verschwundenen Berufsstand wollten die ÖBB neues Leben einhauchen. Im vergangenen September startete man den Testbetrieb für einen „Gepäckstransport zum Zug“am Wiener Hauptbahnhof. Für ursprünglich 7, später 5 Euro beförderten ÖBB-Mitarbeiter bis zu zwei Gepäckstücke bis maximal 25 Kilo vom Taxi oder UBahn-Ausgang zum Zug oder umgekehrt. Durch die Preissenkung und eine Verlegung des Standplatzes wollte man neue Aufmerksamkeit auf die neue alte Dienstleistung lenken. Doch vorerst liegt das angedachte Comeback des Dienstmanns à la Hans Moser einmal auf Eis. Der Testbetrieb sei wie geplant mit Ende November ausgelaufen, jetzt würden die Ergebnisse evaluiert, hieß es dazu von den ÖBB.
Die Kunden hätten „sehr positiv“reagiert, bis zu 50 Personen hätten täglich von dem Service Gebrauch gemacht. Trotzdem sieht es aus heutiger Sicht eher nicht nach einer regulären Inbetriebnahme aus. Ein Grund dafür dürfte neben mangelnder Bekanntheit auch die Tatsache sein, dass die meisten Koffer heute mit Rollen ausgestattet sind.
Eine ähnliche Renaissance wie der Hufschmied erlebte der Fassbinder vor 20, 25 Jahren, sagt Franz Schrimpl von der Bundesinnung der Tischler und Holzgestalter und selbst gelernter Fassbinder. Grund sei das gestiegene Qualitätsbewusstsein der österreichischen Winzer seit dem Weinskandal, die seither verstärkt auf Holzfässer zur Lagerung und zum Ausbau von Rotwein – im Barrique-Fass – setzten. Zwar sei die Zahl der Hersteller gesunken, diese seien aber mittlerweile größer und zunehmend exportorientiert, österreichische Eichenfässer sind auch in Australien und Neuseeland gefragt. Nachwuchssorgen kennt der jahrhundertealte Beruf nicht, „um Gottes willen, wir sind voll ausgelastet“, sagt Schrimpl. Die Zahl der Lehrlinge liege konstant um 20. Die Ausbildung erfolgt in eigenen FassbinderKlassen an der Berufsschule Pöchlarn, die auch von Lehrlingen aus Deutschland frequentiert werden.
Eine Gesetzesänderung war der Grund dafür, dass der klassische Hausbesorger im Jahr 2000 seine rechtliche Grundlage verlor. Stattdessen führen professionelle Reinigungsfirmen, Schneeräumer oder Waste-Watcher heute die Tätigkeiten aus, die früher die Hausbesorgerin erledigte – die dafür kostenlos im Haus wohnen konnte (nur Betriebskosten waren zu zahlen). In größeren Städten wie Wien gebe es wieder Nachfrage nach der umfassenden Dienstleistung, die ja auch Überwachungs- und Kommunikationsaufgaben sowie die Versorgung mit Ersatzschlüsseln übernommen habe, erzählt Yvonne Rychly, eine langjährige Hausbesorgerin, die diesen Berufsstand auch in der Dienstleistungsgewerkschaft vida vertritt.
„Der Beruf hat nach wie vor seine Berechtigung“, meint sie, in Dänemark sei das ein Lehrberuf. Denkbar wäre eine Aufwertung in Richtung einer Verwaltungsfunktion nach dem Modell Concierge, „jemand, der organisiert und einteilt, der den Elektriker, den Installateur, Schlosser oder Maler holt, also der eine ganze Gruppe von Handwerkern organisiert, wenn irgendetwas im Haus kaputtgeht“.