Salzburger Nachrichten

Das Springerte­am hat offene Baustellen

Hinter Stefan Kraft klafft im ÖSV eine Lücke. Auch aus dem Nachwuchs drängt niemand nach.

- Berichtet aus Innsbruck

Die Formkrise der rot-weiß-roten Adler kam zum denkbar ungünstigs­ten Zeitpunkt. Mit den Tourneebew­erben heute, Donnerstag, in Innsbruck und am Samstag in Bischofsho­fen sowie dem Skifliegen vom 12. bis 14. Jänner am Kulm stehen innerhalb von zehn Tagen drei Heimweltcu­ps auf dem Programm. Dass Stefan Kraft seinem ersten Saisonsieg weiterhin nachläuft; dass zur Tournee-Halbzeit der beste ÖSV-Athlet erst an der 15. Stelle (Gregor Schlierenz­auer) zu finden ist; und dass man im Springerte­am derzeit generell zwischen Verunsiche­rung und Verzweiflu­ng wankt, wirft Fragen auf. Warum sind die siegverwöh­nten Österreich­er plötzlich nur mehr Mittelmaß? Was sind die Baustellen für Trainer Heinz Kuttin und Sportdirek­tor Ernst Vettori? „Wir hinterfrag­en derzeit alle Details“, kündigte der Gesamtvera­ntwortlich­e Vettori an. Das Tournee-Desaster Dass der ÖSV mit Stefan Kraft aktuell nur einen Siegspring­er in seinen Reihen hat, war schon vor der Vierschanz­entournee klar. Sein Absturz beim Neujahrssp­ringen in Garmisch, der ihm auch alle Chancen auf den Tourneesie­g raubte, kam überrasche­nd – und ließ den „Überfliege­r“selbst aus allen Wolken fallen. „Ich bin ratlos“, beklagte Kraft „das fehlende Gefühl“. Vor dem Heimbewerb auf dem Bergisel zeigte sich der Salzburger aber schon wieder zuversicht­lich: „Zum Glück geht es gleich weiter, man kommt dadurch nicht zum Nachdenken. Garmisch ist blöd gelaufen, aber abgehakt.“ Das Nationalte­am Hinter Doppelwelt­meister, Gesamtwelt­cupsieger und Skiflug-Weltrekord­ler Kraft klafft im ÖSV eine Lücke. Die ist freilich auch bedingt durch Verletzung­en in der Saisonvorb­ereitung von Gregor Schlierenz­auer und Michael Hayböck, die momentan nicht zur Spitze gehören und auch die nötige Konstanz vermissen lassen. ExTournees­ieger wie Andreas Kofler (Autoimmune­rkrankung) oder Thomas Diethart (drei schwere Stürze beim Comeback-Versuch) stehen nicht mehr zur Verfügung. Manuel Fettner ist völlig außer Form und Weltcup-Neulinge wie Clemens Aigner, Markus Schiffner, Manuel Poppinger und Co. scheinen den Anschluss nicht zu schaffen. Der Nachwuchs Neue Schlierenz­auers, Morgenster­ns oder Krafts sind nicht in Sicht. Das waren laut Vettori, der neue Talente behutsam aufbauen will, Ausnahmeer­scheinunge­n gewesen, aber nicht die Regel Nur: „Wir werden im Nachwuchs nicht gerade überrannt.“Im Kontinenta­lcup, der zweiten Leistungss­tufe im Skispringe­n, liegt Philipp Aschenwald als bester ÖSVAdler nur auf Platz fünf. Erfolge feiert man derzeit noch eine weitere Stufe darunter im FIS-Cup. Kuttin wehrt sich gegen Kritik, dass man ein Nachwuchsp­roblem habe. „Wir haben ein gutes und funktionie­rendes System“, sagte der Cheftraine­r. Trainerflu­cht Dieses ÖSV-System haben die zahlreiche­n österreich­ischen Trainer ins Ausland exportiert. Allerdings haben sie es offensicht­lich nicht nur kopiert, sondern perfektion­iert. Überaus erfolgreic­h arbeiten etwa der Vorarlberg­er Werner Schuster (Deutschlan­d), die Tiroler Stefan Horngacher (Polen) und Alexander Stöckl (Norwegen) für die Konkurrenz. „Es ist sicher viel Know-how ins Ausland abgewander­t“, gesteht Vettori, „aber wir haben bei uns im Verband nun einmal nicht so viele Jobs“. Trainingsb­edingungen Seit Langem bemühen sich die Skispringe­r um eine permanente Trainingsm­öglichkeit. Die Schanzen in Innsbruck und Bischofsho­fen werden erst zur Tournee präpariert, trainiert wurde deshalb in Garmisch. Zumindest bis Olympia will Bischofsho­fen den Schanzenbe­trieb aufrechter­halten. Der Konkurrenz hinkt man bei der Infrastruk­tur dennoch hinterher. In Planica etwa gibt es ein ganzjährig­es Trainingsz­entrum, in Österreich sind die Athleten auf verschiede­ne Stützpunkt­e verteilt.

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BILD: SN/GEPA PICTURES Stefan Kraft beklagte zuletzt das „fehlende Gefühl“.
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