Roboter lernen schreiben
Für mehrere Nachrichtenagenturen und das Wirtschaftsmagazin „Forbes“arbeiten seit einiger Zeit eigene Textmaschinen. Bedroht Roboterjournalismus den klassischen Journalismus?
SALZBURG. Der Ablauf ist denkbar einfach: Die Software bekommt ein Fußballergebnis gespeist, samt relevanten Fakten wie Torschützen und Roten Karten. Die Textmaschine erkennt die Fakten anhand vorab definierter Parameter. Und auf Knopfdruck spuckt sie einen Artikel aus.
„Es ist nur ein Prototyp. Aber die Texte sind tatsächlich ganz okay“, beschreibt Katharina Schell. Schell ist Mitglied der Chefredaktion bei der APA, Österreichs größter Nachrichtenagentur, und dort für redaktionelle Innovation zuständig. Ende 2016 hat die APA die Software entwickelt. Lediglich fünf Tage waren nötig, um sich von einer vorgegebenen Problemstellung zum Prototyp vorzuarbeiten. Und der Textroboter kann noch mehr als Artikel schreiben – etwa Tabellen erstellen. „Dafür versteht er noch nicht, was ein Unentschieden ist. Aber auch das könnte man ihm beibringen.“
Mit ihrer Innovation greift die APA einen Branchentrend auf. Die „Los Angeles Times“präsentierte bereits 2014 ihren „Quakebot“. Die Software erfasst in Echtzeit die Daten des Geological Survey, einer USBehörde, die etwa Erdbeben vorhersagt. Sobald ein Grenzwert überschritten wird, verfasst der Textroboter einen passenden Beitrag. Die Ergebnisse sind unter latimes.com/earthquakes einsehbar. Auch das Magazin „Forbes“und Nachrichtenagenturen wie Reuters oder AP arbeiten mit Textrobotern.
Gehört Roboterjournalismus also tatsächlich die Zukunft? Aktuell seien die Möglichkeiten noch eingeschränkt, beschreibt Schell. Komplexe Texte könnten noch kaum erstellt werden. Doch die Textmaschinen werden wohl zulegen.
Auch Manfred Glauninger ist ähnlicher Ansicht. Der Soziolinguist forscht an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und lehrt am Institut für Germanistik der Uni Wien. „Roboter können schon simple Texte gut fabrizieren, etwa Wetterberichte.“Und sie würden in Zukunft „noch besser und billiger werden“.
Doch es gebe auch einige Hürden. So könnten Textmaschinen Ironie kaum transportieren. Natürliche Sprachen seien dadurch gekennzeichnet, dass sie vage sein müssen. „Ich muss zum Beispiel die Möglichkeit haben, zu lügen.“Technologisch generierte Sprache tue sich mit dem Vagen schwer, denn im Grunde basiere sie auf Binärcodes, also auf einem System, das im Kern nur wahr/falsch kennt. „So funktioniert unsere Welt aber nicht. Wenn meine Frau vom Friseur kommt und fragt, wie sie aussieht, dann ist die Antwort ,furchtbar‘ eigentlich keine Option.“Das alles habe auch mit dem sogenannten Weltwissen zu tun, also all dem, was der Mensch durch Sozialisation erfährt, etwa Vorurteile oder Erfahrungswerte. „Man müsste die Software permanent mit Weltwissen füttern.“
Dennoch glaubt Glauninger, dass Textroboter irgendwann so weit sein werden, dass sie „eine gar nicht so kleine Zahl von Texten produzieren“. Und die logische Folge sei, dass journalistische Jobs reduziert würden. Auch eine im Fachjournal „Digital Journalism“veröffentlichte Untersuchung dreier Kommunikationswissenschafter kommt zum Schluss, dass allein bei der Nachrichtenagentur Reuters „Hunderte von Journalisten“ersetzt werden könnten.
Katharina Schell sieht den Trend weit weniger pessimistisch. Automatisierung habe in bestimmten Bereichen zwar jetzt schon Sinn, etwa bei Gebrauchsanweisungen. Und sie werde auch vor dem Journalismus nicht haltmachen. Aber vor allem in Zeiten, in denen es darum gehe, die Glaubwürdigkeit zu stärken und den Transparenzgedanken hochzuhalten, würden es sich Medien „verdammt gut überlegen, ob sie den Kern ihres Tuns an Maschinen auslagern“. Vielmehr könnte die Software das leisten, was klassischer Journalismus – meist aus Zeitgründen – nicht zu leisten vermöge. „Es geht darum, Zusätzliches zu liefern. Und vielleicht Journalisten für das freizuspielen, das ihre Arbeit ausmacht.“Also etwa tiefergehende Recherche. „Die Grundaufgabe des Journalismus ist es, Menschen informiert zu halten“, ergänzt Schell. „Wenn Maschinen Informationen liefern, bereichern sie diese Grundaufgabe.“
Auch deshalb könne es sein, dass die APA ihre Textmaschine marktfähig macht. Noch sei zwar keine Entscheidung gefallen. Die Rückmeldungen erster Probanden seien aber positiv gewesen.
„Zusätzliches sollte geliefert werden.“