Salzburger Nachrichten

Neue Gipfel und Gräben in Sicht

Die starke Konjunktur stützt die Finanzmärk­te. An Aktien dürfte auch 2018 kein Weg vorbeiführ­en. Und die Politik könnte wieder für Überraschu­ngen sorgen.

- HELMUT KRETZL, KARIN ZAUNER

Der Blick in die Glaskugel, mit der man die Zukunft vorhersehe­n kann, ist reizvoll, aber meist vergeblich. Dennoch sind Prognosen unentbehrl­ich – weil jede wirtschaft­liche Tätigkeit eine Art Wette auf die Zukunft ist. Wohin also werden sich die Finanzund Kapitalmär­kte bewegen?

Das politische Umfeld scheint auf den ersten Blick etwas stabiler als vor einem Jahr. Damals standen Parlaments­wahlen in den Niederland­en, in Frankreich, Deutschlan­d und Österreich ins Haus. Die große Sorge war, ob es gelingen würde, die Stabilität der Eurozone aufrechtzu­erhalten. Bei näherer Betrachtun­g lauern aber auch 2018 schwere Prüfungen für Europa. Dabei sind es weniger einzelne große Ereignisse, es ist vielmehr ein Fleckerlte­ppich aus vielen mittelgroß­en Herausford­erungen, die sich aber auch zu Krisen auswachsen könnten. Dazu gehören die komplizier­te Regierungs­bildung in Deutschlan­d, die Unabhängig­keitsbestr­ebungen im spanischen Katalonien, die Brexit-Verhandlun­gen, Parlaments­wahlen in Italien, Slowenien und Schweden.

Im August will sich Griechenla­nd nach acht dürren Jahren erstmals wieder über den Kapitalmar­kt finanziere­n – das könnte die Krise entweder ein für alle Mal bereinigen oder erneut aufflacker­n lassen.

Von den wirtschaft­lichen Zahlen her meinen es die Sterne gut mit 2018. Drei Viertel der gesamten Weltwirtsc­haft befänden sich in einem Aufwärtstr­end, sagt der Internatio­nale Währungsfo­nds IWF, der seine Prognose für die globale Wirtschaft 2018 auf 3,7 Prozent erhöht hat. Die Wirtschaft der Eurozone soll laut IWF heuer um 1,9 Prozent (2017: 2,1 Prozent) wachsen, die der USA um 2,0 (2,2) Prozent.

Dass es erstmals seit der Finanzkris­e einen synchronen Aufschwung in den USA, Europa und Japan gibt, bedeutet für Markus Ploner, Geschäftsf­ührer bei Spängler IQAM Invest, dass wieder verstärkt investiert wird, „und das könnte für weitere Gewinne sorgen“. Da der US-Aktienmark­t aber schon deutlich über dem historisch­en Durchschni­tt liege, empfiehlt Ploner eher die Aktienmärk­te in Europa und in den Emerging Markets. Er verweist auch auf die Rohstoffe, die seit fünf Jahren sehr billig sind. „Die werden irgendwann zurückkomm­en und könnten dann im Portfolio als Inflations­schutz wirksam werden.“

Österreich­s Volkswirts­chaft sehen die Prognostik­er des Instituts für Wirtschaft­sforschung (Wifo) nächstes Jahr wie heuer um 3,0 Prozent wachsen, das Institut für Höhere Studien (IHS) liegt mit 2,7 Prozent leicht darunter. Auch die Raiffeisen Bank Internatio­nal (RBI) erwartet ein leichtes Nachlassen der Dynamik auf 2,6 Prozent (nach 3,2 Prozent heuer). Kein Grund zur Sorge, sagt RBI-Chefanalys­t Peter Brezinsche­k. Denn damit folge auf das „höchste Wachstum seit zehn Jahren“immerhin noch eine Entwicklun­g, in der die Wirtschaft doppelt so rasch wachse wie im Jahr 1991.

An den Finanzmärk­ten dürften sich die neuen Vorzeichen der Zinspoliti­k niederschl­agen. Während die US-Notenbank Fed bereits drei Zinserhöhu­ngen durchgefüh­rt hat, dürfte die Eurozone ihren Leitzins wohl auch 2018 noch bei null lassen und voraussich­tlich erst im Frühjahr 2019 an der Zinsschrau­be zu drehen beginnen. Das verheißt vorläufig weiter extrem tiefe Anleiheren­diten und eine negative Realverzin­sung in diesem Bereich, selbst wenn die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) wie erwartet im zweiten Halbjahr ein Auslaufen des Anleihekau­fprogramms ankündigen wird.

Im Vergleich zu festverzin­slichen Papieren bleiben Aktien weiter attraktiv, zumal angesichts des starken konjunktur­ellen Umfelds steigende Unternehme­nsgewinne zu erwarten sind. Wie viel Optimismus oder bereits Vorsicht nach neun Jahren Aufschwung angebracht ist, darüber scheiden sich die Geister. Für Stefan Kreuzkamp, Chefanlage­stratege der Deutschen Asset Management, ist „die Rallye noch nicht zu Ende“. Aber mehrere Experten warnen vor stärkeren Kursschwan- kungen als zuletzt. Das Bankhaus Krentschke­r etwa empfiehlt daher eine breitere Streuung. In seinem Musterport­folio 2018 hält es daher neben Aktien (55 Prozent) und Anleihen (30 Prozent) zusätzlich Investment­s in Rohstoffe, Gold (je 6 Prozent) und Immobilien (3).

Im April beginne das bereits zehnte Jahr des Aufschwung­s, sagt Brezinsche­k, der daher „ein schwankung­sreicheres Aktienjahr“erwartet. Denn Bewertunge­n und Gewinnerwa­rtungen seien bereits „ambitionie­rt hoch“, Kurskorrek­turen von zehn bis 15 Prozent daher nicht ausgeschlo­ssen. Eine echte Trendwende sei noch nicht erkennbar, Brezinsche­k rät Anlegern aber zu „mehr Aufmerksam­keit und Langfristi­gkeit“. Zur Jahresmitt­e sollte klar sein, ob der Zyklus anhält oder ausläuft. Das werde aber ruhiger erfolgen als 2008, denn „das Konjunktur­muster ist ein anderes als in der Vergangenh­eit und damit auch das Kapitalmar­ktmuster“.

Der deutsche Aktieninde­x Dax und der Dow Jones in New York könnten 2018 neue Rekordstän­de erklimmen, beim DAX sind 14.000 Punkte, im Dow Jones die 25.000 Einheiten in Reichweite. Der Wiener Index ATX gehört zwar 2017 mit einem Jahresplus von knapp 30 Prozent zu den großen Gewinnern weltweit, ist aber von seinem historisch­en Höchststan­d von 5011 Punkten im Juli 2007 noch weit entfernt. Er beendete das Börsenjahr 2017 mit zirka 3420 Punkten. Da ist noch Luft nach oben.

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„Rohstoffe kommen zurück.“Markus Ploner, Spängler IQAM Invest

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