China kauft sich in Sri Lanka ein
Peking setzt auf die Diplomatie der Schuldenfalle: Wer seine Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlen kann, muss eben Sachwerte anbieten – einen Seehafen etwa.
Indien muss um seine Rolle kämpfen
COLOMBO. Sri Lanka ist das jüngste Beispiel von Pekings SchuldenfalleDiplomatie: Im Dezember hat eine chinesische Staatsfirma einen 99Jahres-Pachtvertrag für Sri Lankas Haupthafen im Süden erhalten. Die Pacht für den Hafen Hambantota ist Teil eines Schuldenreduzierungsabkommens. Zudem überwiesen die chinesischen Pächter knapp 300 Millionen Dollar an Sri Lankas Regierung.
Nicht, dass Sri Lanka den Deal freiwillig gemacht hätte. Der Inselstaat war schlicht außerstande, die gegenüber China angehäuften Schulden zu begleichen.
Das Geschäft ist Teil von Chinas Gläubiger-Imperialismus. Im Gegensatz zu Krediten des Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank sind chinesische Kredite durch strategisch wichtige Naturwerte besichert. Als Gegenleistung für Finanzierung und Aufbau von Infrastruktur, die ärmere Länder wie Sri Lanka benötigen, fordert China Zugang zu natürlichen Ressourcen – von Bodenschätzen bis hin zu Häfen. Der Hafen von Hambantota verbindet die Handelsrouten des Indischen Ozeans mit Europa, Afrika, dem Nahen Osten und Asien. China praktiziert eine Art Neokolonialismus. Es wendet dasselbe imperiale 99-Jahre-PachtKonzept an, mit dem es einst Hongkong an die Briten abtreten musste. Chinas Strategie der Schuldenfalle trifft zwei Fliegen mit einem Schlag. Die Strategie bindet nicht nur neue Märkte ein, sondern bringt auch strategische Interessen voran: Ausweitung von Chinas diplomatischem Einfluss, Sicherung von Ressourcen, Internationalisierung von Chinas Währung.
Dieses Vorgehen hat bereits mehrere Nationen von Argentinien über Namibia bis Laos überrumpelt. In Chinas Nachbarschaft ist vor allem Indien alarmiert, das bisher abgesehen vom ewig feindlichen Pakistan die nähere Region mühelos dominieren konnte.
In der gleichen Woche, als Sri Lanka seinen wichtigsten Hafen an China abtrat, siegte bei der Wahl in Nepal eine kommunistische Allianz, die sich für engere Beziehungen zu China und Distanz zu Indien eingesetzt hatte. Und die Malediven wurden Ende November nach einer hastig einberufenen „Notsitzung“des Parlaments ohne Oppositionsmitglieder nach Pakistan das zweite südasiatische Land, das ein Freihandelsabkommen mit China ratifizierte. Eine Insel ist bereits an eine chinesische Firma verpachtet, große Infrastrukturprojekte an andere vergeben. China besitzt derzeit etwa 75 Prozent der Schulden der Malediven. Noch 2011 verfügte China nicht einmal über eine Botschaft dort. Seither haben sich die militärischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen dramatisch gefestigt.
Auch in Nepal eilt der chinesische Drache voran. Schon in den 1950er-Jahren hatten sich seine Herrscher an China gewandt, um ein Gegengewicht zu Indien zu schaffen, das praktisch den gesamten Zugang zum Binnenreich kontrollierte. Jahrzehnte später, als der nepalesische König wieder einmal China den Vortritt ließ, richtete Indien eine 18-monatige Wirtschaftsblockade ein, die den Monarchen schließlich dazu bewegte, nicht nur seinen nördlichen Nachbarn zu meiden, sondern auch Mehrparteienwahlen zuzulassen.
Die heutige Republik Nepal hat 2015 eine neue Verfassung verabschiedet. Indien betrachtete diese als unfair gegenüber Nepals indischstämmiger Minderheit und zeigte erneut Stärke. Anstatt jedoch angesichts einer neuen Blockade zu verzagen, unterzeichnete Nepal gleich mehrere Verträge mit China. Bei der jüngsten Wahl hat sich diese Politik für die Kommunisten Nepals bezahlt gemacht, die riesige chinesische Investitionen in Wasserkraft, Straßen und die erste Eisenbahn des Landes versprechen konnten. Diese verläuft nicht bergab von Kathmandu nach Indien, sondern über die Berge nach China.
Früher konnte sich Indien auf die Unermesslichkeit und Härte des Himalaya als natürliche Barriere verlassen. Nun kämpft Indien um den Anschluss an Chinas rasant wachsende Grenzinfrastruktur.
Ob Indien seine regionale Einflusssphäre beibehalten kann, ist alles andere als klar. Indiens Wirtschaft macht nur ein Fünftel derjenigen Chinas aus und die Mühlen von Indiens Bürokratie und Demokratie mahlen schwerfällig und chaotisch. Der indische Koloss hat jedenfalls allergrößte Mühe, Chinas Avancen zu kontern.