Die deutschen Sondierer in der Schlussphase
In der Nacht auf Freitag wollten sich CDU/CSU und SPD bei ihren Sondierungen schlüssig werden: Kommt eine neue GroKo?
Nach außen hin verbreiteten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Martin Schulz (l.) optimistische Stimmung, als sie am Donnerstag in Berlin zur letzten Runde ihrer Sondierungsgespräche zusammenkamen. „Es wird ein harter Tag werden“, aber „wir wissen, dass wir Lösungen finden müssen“, sagte Merkel. Seit Sonntag war verhandelt worden. Jetzt sollte die Entscheidung fallen, ob Gespräche über eine neue Große Koalition beginnen. Heute, Freitag, bewerten die Parteigremien die Ergebnisse der Sondierung.
Zum Auftakt der voraussichtlich letzten Runde der Sondierungsgespräche über eine neue Große Koalition sagten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Martin Schulz am Donnerstag in Berlin schwierige Verhandlungen voraus. Merkel sagte: „Es liegen noch große Brocken auf dem Weg, die aus dem Weg geräumt werden müssen.“Die Menschen erwarteten, dass Lösungen gefunden würden, betonte Merkel. Schulz sagte beim Eintreffen in der SPD-Zentrale, wo die Gespräche stattfinden sollten, für ihn sei das Thema Europa im Vordergrund.
Noch steht nicht einmal fest, ob es überhaupt eine Neuauflage der Großen Koalition in Deutschland geben wird. Doch hinter den Kulissen und in den Medien wird bereits spekuliert, wer was in einer neuen Regierung werden könnte. Klar ist nur, dass in einer neuen Groko Angela Merkel noch ein letztes Mal Bundeskanzlerin würde. Viele erwarten, dass sie spätestens ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl 2021 an einen Nachfolger übergeben wird. Derzeit gilt die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer als die heißeste Favoritin.
Ziemlich sicher wird auch SPDChef Martin Schulz als Vizekanzler in ein GroKo-Kabinett eintreten. Naheliegend wäre es, wenn der frühere EU-Parlamentspräsident das Außenministerium übernehmen würde. Zwar hatte er im Wahlkampf noch ausgeschlossen, Minister in einem Kabinett Merkel zu werden. Doch nur als Vizekanzler kann er die Regierungsgeschäfte beeinflussen. Zudem hätte er die große Chance, innerhalb kürzester Zeit zum beliebtesten Politiker zu avancieren.
Das ist derzeit sein Vorgänger im Amt des Parteichefs, Sigmar Gabriel, der die GroKo im Gegensatz zu Schulz nie abgelehnt hat. Wegen seiner Sprunghaftigkeit ist Gabriel in der SPD jedoch herzlich unbeliebt. Andererseits ist er ein politisches Schwergewicht mit Erfahrung als Umwelt-, Wirtschafts- und jetzt Außenminister, auf das die SPD nicht ohne Weiteres verzichten kann. Sollte die SPD das Finanzministerium anstreben und auch erhalten, gilt Gabriel als weitaus geeigneter als Schulz.
Dauerhaft ins Finanzministerium zieht es allerdings auch den derzeit geschäftsführenden Finanzminister Peter Altmaier (CDU). Der jetzige Kanzleramtsminister ist Merkels engster Vertrauter und ihre Allzweckwaffe. Wenn es schwierig wird für die Kanzlerin, dann muss der Saarländer ran. Das war so in der Flüchtlingskrise und bei der Energiewende. Auch das Wahlprogramm musste Altmaier schreiben.
Da CSU-Chef Horst Seehofer sein Amt als bayerischer Ministerpräsident demnächst an Markus Söder übergeben wird, dürfte ihn ein Ministeramt in Berlin reizen. Für ihn wäre es eine Rückkehr. Er war schon einmal Gesundheitsminister unter Helmut Kohl sowie Landwirtschaftsminister unter Merkel. Landwirtschaft ist zwar wichtig für Bayern, aber im Ressort Arbeit und Soziales hätte er mehr Gewicht im Kabinett. Das Ministerium wurde zuletzt von SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles geführt, die kein Interesse an einer Rückkehr hat. Als Fraktionschefin hat sie eine stärkere Rolle im künftigen Spitzengeflecht.
Wenn Kramp-Karrenbauer einmal Merkel folgen soll, dann müsste sie jetzt ins Kabinett einziehen. Sie ist in den derzeitigen Sondierungsgesprächen für die Themen Soziales, Gesundheit und Familie zuständig, was einen Hinweis auf ein künftiges Ressort geben könnte. Auf SPD-Seite könnte der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach das Gesundheitsministerium übernehmen.
Chancen auf „Klassenerhalt“haben Innenminister Thomas de Maizière (CDU) wegen seiner Loyalität gegenüber der Kanzlerin sowie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), obwohl „Flinten-Uschi“nie mit der Truppe warm geworden ist. Aber Merkel braucht Frauen in ihrer Truppe, weshalb auch der Rheinland-Pfälzerin Julia Klöckner gute Chancen auf einen Kabinettsposten gegeben werden.
Ganz schwer einzuschätzen ist die Zukunft des umtriebigen CDU-Jungstars Jens Spahn. Der Staatssekretär im Finanzministerium ist auf dem besten Weg, „Talkshow-König“zu werden. Innerparteilich ist er immer wieder angeeckt, er hat sich ab und zu auch gegen die Kanzlerin gestellt. Er hätte wohl bessere Chancen, wenn es keine GroKo gibt und es zu Neuwahlen kommt.