Zuwanderung muss nicht negativ besetzt sein
Die neue Regierung will eine scharfe Asylpolitik. Notwendiger wäre eine weitsichtige Einwanderungspolitik.
Das Asylsystem soll reformiert werden. Das wünscht nicht nur Österreichs FPÖ-Innenminister Herbert Kickl, sondern auch ein prominent besetzter MiniEU-Gipfel, der dieser Tage in Rom zusammenkam. Die Staats- und Regierungschefs der südlichen EUStaaten stimmten ihre Prioritäten für die EU-Politik im Jahr 2018 ab. Darunter: Migration. Anders als in Wien stand diesbezüglich nicht eine restriktivere Asylpolitik an erster Stelle der politischen Wunschliste, sondern mehr europäische Solidarität, legistisch gegossen in ein „neues und faires“gemeinsames europäisches Asylsystem. Außerdem solle die EU Fluchtursachen bekämpfen und den Flüchtlingsdeal mit der Türkei aufrechterhalten, wünschen die südlichen EU-Länder. Und? Natürlich: „Irreguläre Ströme“Richtung Europa müssen verhindert werden.
Die in Rom formulierten Ziele sind so alt wie die Migrationskrise. Noch älter ist eine dazupassende Handlungsanleitung. Um illegale Zuwanderung zu verhindern, müssen die Regierungen Möglichkeiten zur legalen Zuwanderung schaffen. Und fast noch wichtiger: Sie müssen bei der Zuwanderung zwischen Flüchtlingen und Migranten unterscheiden. Die einen brauchen Schutz vor Verfolgung, die anderen wollen meistens zum Arbeiten oder Studieren in unser Land kommen.
Länder wie Kanada machen seit Jahrzehnten vor, wie das funktioniert. Einerseits nehmen sie über das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR ein gewisses Kontingent an Flüchtlingen auf, andererseits haben sie klare Regeln, wer ins Land einwandern darf – und in welcher Zahl überhaupt Migranten mit welchen Qualifikationen gebraucht werden.
Freilich ist Kanada in einer anderen geografischen und politischen Lage als die Europäische Union. Demografisch haben wir aber dieselben Bedürfnisse. Unsere Gesellschaften überaltern, ohne Zuwanderung werden wir in den kommenden Jahrzehnten einen eklatanten Bevölkerungsrückgang haben. Damit verbunden geht ein Mangel an Arbeitskräften einher, nicht nur in Gesundheits- und Pflegeberufen.
Auf Ebene der Vereinten Nationen ist das Credo „Migration als Chance“längst angekommen. Dort wird gerade an einem internationalen Vertrag gebastelt. Er soll unverbindliche Regeln festlegen, wie möglichst alle von Migration profitieren können.
Die neue Regierung täte gut daran, in diese Richtung zu gehen: Flucht und Migration in der öffentlichen Diskussion trennen – und im jeweiligen Bereich eine vernünftige, weitsichtige Politik betreiben.