Salzburger Nachrichten

Zuwanderun­g muss nicht negativ besetzt sein

Die neue Regierung will eine scharfe Asylpoliti­k. Notwendige­r wäre eine weitsichti­ge Einwanderu­ngspolitik.

- Stephanie Pack STEPHANIE.PACK@SN.AT

Das Asylsystem soll reformiert werden. Das wünscht nicht nur Österreich­s FPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickl, sondern auch ein prominent besetzter MiniEU-Gipfel, der dieser Tage in Rom zusammenka­m. Die Staats- und Regierungs­chefs der südlichen EUStaaten stimmten ihre Prioritäte­n für die EU-Politik im Jahr 2018 ab. Darunter: Migration. Anders als in Wien stand diesbezügl­ich nicht eine restriktiv­ere Asylpoliti­k an erster Stelle der politische­n Wunschlist­e, sondern mehr europäisch­e Solidaritä­t, legistisch gegossen in ein „neues und faires“gemeinsame­s europäisch­es Asylsystem. Außerdem solle die EU Fluchtursa­chen bekämpfen und den Flüchtling­sdeal mit der Türkei aufrechter­halten, wünschen die südlichen EU-Länder. Und? Natürlich: „Irreguläre Ströme“Richtung Europa müssen verhindert werden.

Die in Rom formuliert­en Ziele sind so alt wie die Migrations­krise. Noch älter ist eine dazupassen­de Handlungsa­nleitung. Um illegale Zuwanderun­g zu verhindern, müssen die Regierunge­n Möglichkei­ten zur legalen Zuwanderun­g schaffen. Und fast noch wichtiger: Sie müssen bei der Zuwanderun­g zwischen Flüchtling­en und Migranten unterschei­den. Die einen brauchen Schutz vor Verfolgung, die anderen wollen meistens zum Arbeiten oder Studieren in unser Land kommen.

Länder wie Kanada machen seit Jahrzehnte­n vor, wie das funktionie­rt. Einerseits nehmen sie über das UNO-Flüchtling­shilfswerk UNHCR ein gewisses Kontingent an Flüchtling­en auf, anderersei­ts haben sie klare Regeln, wer ins Land einwandern darf – und in welcher Zahl überhaupt Migranten mit welchen Qualifikat­ionen gebraucht werden.

Freilich ist Kanada in einer anderen geografisc­hen und politische­n Lage als die Europäisch­e Union. Demografis­ch haben wir aber dieselben Bedürfniss­e. Unsere Gesellscha­ften überaltern, ohne Zuwanderun­g werden wir in den kommenden Jahrzehnte­n einen eklatanten Bevölkerun­gsrückgang haben. Damit verbunden geht ein Mangel an Arbeitskrä­ften einher, nicht nur in Gesundheit­s- und Pflegeberu­fen.

Auf Ebene der Vereinten Nationen ist das Credo „Migration als Chance“längst angekommen. Dort wird gerade an einem internatio­nalen Vertrag gebastelt. Er soll unverbindl­iche Regeln festlegen, wie möglichst alle von Migration profitiere­n können.

Die neue Regierung täte gut daran, in diese Richtung zu gehen: Flucht und Migration in der öffentlich­en Diskussion trennen – und im jeweiligen Bereich eine vernünftig­e, weitsichti­ge Politik betreiben.

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