Und dann erübrigen sich die Sozialversicherungen
Die Selbstverwaltung wird aufgehoben, Leistungen werden vereinheitlicht. Das muss Konsequenzen haben.
Die erste Entlastung hat die neue Regierung gleich einmal fixiert: Die Gruppe der Unselbstständigen, denen kein Arbeitslosenversicherungsbeitrag abverlangt wird, soll vergrößert werden. Und zwar dadurch, dass die Einkommensgrenze, ab der der Beitrag fällig wird, von 1381 auf 1648 Euro brutto im Monat verschoben wird. Das ist zunächst gut für die Betroffenen. Wirft längerfristig aber eine Frage auf: Wenn das ÖVP-Wahlkampfprinzip weiterhin gilt, dass zuerst einzahlen muss, wer später etwas herausbekommen will, stehen diese Männer und Frauen im Falle der Arbeitslosigkeit ohne Geld da. Oder etwa nicht? So weit wird es praktisch wohl nicht kommen. Eine gewisse Unterstützung dürfte es immer geben.
Das kann man aus der Devise ableiten, mit der auch diese Regierung bei der Pensionsversicherung vorgeht: Wie viel da jemand einzahlt, tritt zunehmend in den Hintergrund. Entscheidend ist eher nur noch, wie lang er es getan hat. Sind es 30 Jahre, soll es künftig eine Mindestpension von 1000 Euro geben, bei 40 Jahren sind 1200 Euro vorgesehen. Womit sich ein Trend hin zu einer Einheitspension verstärkt, wie er schon unter sozialdemokratischer Beteiligung in der Vergangenheit eingeleitet worden ist: Die Mindestpension („Ausgleichszulage“) ist gegenüber dem Jahr 2000 etwa doppelt so stark angehoben worden wie die Höchstpension. Das kann man begrüßen oder auch kritisieren. Der Punkt ist: Irgendwann werden sie sich angeglichen haben, werden also alle gleich viel bekommen.
Mit einer echten Versicherung hat all das dann freilich nichts mehr zu tun. Im Grunde genommen könnte man die Beiträge auch in die Lohn- und Einkommenssteuer integrieren und zur allgemeinen Beruhigung für Arbeitslosigkeit, Pension und Krankheit zweckbinden.
Zumal bald auch ein anderes Argument für eine Sozialversicherung österreichischer Aus- prägung wegfällt: die Selbstverwaltung durch Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter, genannt Sozialpartner. ÖVP und FPÖ wollen nicht nur die meisten der 22 Anstalten zusammenlegen, sondern auch einen Verwaltungsrat schaffen, in dem ein Regierungsvertreter sitzt und vor allem die Finanzen kontrolliert.
Den Anfang machen will man bei den Krankenversicherungen, den Kassen also. Sie sind in einem Bereich tätig, in dem am wenigsten darauf geachtet wird, wie viel jemand eingezahlt hat. Zweiklassenmedizin gibt es (zumindest offiziell) nicht. Was ethisch begründet ist, aber auch damit, dass wichtige Teile des Gesundheitswesens immer schon eher steuerfinanziert sind. Die Spitäler etwa, die meist Gemeinden oder Ländern gehören, die vom Prinzip her wirklich alle Bürger gleich behandeln müssen.