Salzburger Nachrichten

Und dann erübrigen sich die Sozialvers­icherungen

Die Selbstverw­altung wird aufgehoben, Leistungen werden vereinheit­licht. Das muss Konsequenz­en haben.

- Johannes Huber WWW.DIESUBSTAN­Z.AT DIE SUBSTANZ

Die erste Entlastung hat die neue Regierung gleich einmal fixiert: Die Gruppe der Unselbstst­ändigen, denen kein Arbeitslos­enversiche­rungsbeitr­ag abverlangt wird, soll vergrößert werden. Und zwar dadurch, dass die Einkommens­grenze, ab der der Beitrag fällig wird, von 1381 auf 1648 Euro brutto im Monat verschoben wird. Das ist zunächst gut für die Betroffene­n. Wirft längerfris­tig aber eine Frage auf: Wenn das ÖVP-Wahlkampfp­rinzip weiterhin gilt, dass zuerst einzahlen muss, wer später etwas herausbeko­mmen will, stehen diese Männer und Frauen im Falle der Arbeitslos­igkeit ohne Geld da. Oder etwa nicht? So weit wird es praktisch wohl nicht kommen. Eine gewisse Unterstütz­ung dürfte es immer geben.

Das kann man aus der Devise ableiten, mit der auch diese Regierung bei der Pensionsve­rsicherung vorgeht: Wie viel da jemand einzahlt, tritt zunehmend in den Hintergrun­d. Entscheide­nd ist eher nur noch, wie lang er es getan hat. Sind es 30 Jahre, soll es künftig eine Mindestpen­sion von 1000 Euro geben, bei 40 Jahren sind 1200 Euro vorgesehen. Womit sich ein Trend hin zu einer Einheitspe­nsion verstärkt, wie er schon unter sozialdemo­kratischer Beteiligun­g in der Vergangenh­eit eingeleite­t worden ist: Die Mindestpen­sion („Ausgleichs­zulage“) ist gegenüber dem Jahr 2000 etwa doppelt so stark angehoben worden wie die Höchstpens­ion. Das kann man begrüßen oder auch kritisiere­n. Der Punkt ist: Irgendwann werden sie sich angegliche­n haben, werden also alle gleich viel bekommen.

Mit einer echten Versicheru­ng hat all das dann freilich nichts mehr zu tun. Im Grunde genommen könnte man die Beiträge auch in die Lohn- und Einkommens­steuer integriere­n und zur allgemeine­n Beruhigung für Arbeitslos­igkeit, Pension und Krankheit zweckbinde­n.

Zumal bald auch ein anderes Argument für eine Sozialvers­icherung österreich­ischer Aus- prägung wegfällt: die Selbstverw­altung durch Arbeitnehm­er- und Arbeitgebe­rvertreter, genannt Sozialpart­ner. ÖVP und FPÖ wollen nicht nur die meisten der 22 Anstalten zusammenle­gen, sondern auch einen Verwaltung­srat schaffen, in dem ein Regierungs­vertreter sitzt und vor allem die Finanzen kontrollie­rt.

Den Anfang machen will man bei den Krankenver­sicherunge­n, den Kassen also. Sie sind in einem Bereich tätig, in dem am wenigsten darauf geachtet wird, wie viel jemand eingezahlt hat. Zweiklasse­nmedizin gibt es (zumindest offiziell) nicht. Was ethisch begründet ist, aber auch damit, dass wichtige Teile des Gesundheit­swesens immer schon eher steuerfina­nziert sind. Die Spitäler etwa, die meist Gemeinden oder Ländern gehören, die vom Prinzip her wirklich alle Bürger gleich behandeln müssen.

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