Salzburger Nachrichten

In Tunesien rollt der Protest der Enttäuscht­en

- SN, dpa

Die Bilder sind fast die gleichen wie vor sieben Jahren. Damals standen junge Menschen auf der Avenue Bourguiba, der Prachtstra­ße im Zentrum von Tunis, und forderten den „Sturz des Regimes“– heute fordern sie den „Sturz des Finanzgese­tzes“. Die Demonstran­ten beklagen gestiegene Preise und zu hohe Steuern. Bei nächtliche­n Demonstrat­ionen in verschiede­nen Orten des Landes kommt es zu Randalen und Plünderung­en. Die Polizei greift hart durch.

Mehr als 600 Menschen wurden bei den teils gewaltsame­n Protesten laut Innenminis­terium festgenomm­en. Es handle sich um Plünderer, die die sozialen Proteste ausnutzten, hieß es. Bereits die dritte Nacht in Folge war es im ganzen Land zu Zusammenst­ößen zwischen Protestier­enden und Sicherheit­skräften gekommen. Auf Videos, die in den sozialen Netzwerken kursierten, ist zu sehen, wie teils vermummte Menschen Straßenspe­rren errichten und anzünden oder Supermärkt­e ausräumen und Fernseher und andere Elektroger­äte fortschlep­pen. Nach der Revolution 2011 hatte Tunesien weitreiche­nde demokratis­che Reformen eingeleite­t. Es gilt als Musterland des „arabischen Frühlings“. Doch das kleine nordafrika­nische Land bekommt seine großen wirtschaft­lichen Probleme nicht in den Griff. Die Arbeitslos­igkeit ist hoch, fast jeder dritte Hochschula­bsolvent findet keine passende Anstellung. Die Staatsvers­chuldung ist auf knapp 70 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s gestiegen. Wichtige Investitio­nen bleiben aus, die Korruption grassiert. Islamistis­che Organisati­onen versuchen, aus dieser Lage Profit zu schlagen, was wiederum Investoren abschreckt.

Am Sonntag ist der siebte Jahrestag der Revolution in Tunesien. Am 14. Jänner 2011 hatte der langjährig­e Machthaber Zine al Abidine Ben Ali nach 23 Jahren an der Spitze des Staates Tunesien fluchtarti­g verlassen. Zuvor hatte es mehrwöchig­e Demonstrat­ionen gegeben. Die Unruhen in Tunesien sprangen damals auch auf andere arabische Staaten wie Ägypten und Syrien über, ohne dass dort die Hoffnungen auf Liberalisi­erung und Demokratis­ierung erfüllt wurden.

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BILD: SN/APA/AFP/FETHI BELAID Junge Tunesier gehen auf die Straße und spüren bei teils gewalttäti­gen Protesten den harten Zugriff der Polizei.

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