Irgendwann explodiert auch ein eingefrorener Konflikt
Deshalb sollte der Streit zwischen Indien und Pakistan um Kaschmir endlich gelöst werden – natürlich nur politisch.
Martin Kobler ist der neue Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Islamabad. SN: Welche Bedeutung hat der Kaschmir-Konflikt für das Verhältnis zwischen Indien und Pakistan? Kobler: Kaschmir ist die offene Wunde des Dramas von 1947, als der indische Subkontinent zwischen Pakistan und Indien geteilt worden ist. Wir sehen hier den Kern der indisch-pakistanischen Beziehungen. Es handelt sich um einen „eingefrorenen Konflikt“. Auf beiden Seiten kommt es an der Grenze immer wieder zu kleineren Feuergefechten. Ich glaube nicht, dass ein „eingefrorener Konflikt“auf Dauer eine Situation sichern kann. Früher oder später wird ein solcher Konflikt explodieren. Darum sollte er gelöst werden – je schneller, desto besser. SN: Wie könnte das geschehen? Die Politiker beider Seiten müssen sich an den Verhandlungstisch setzen. Ein verstärkter regionaler Handelsaustausch könnte Indien und Pakistan weiterbringen. Er macht derzeit nur fünf Prozent des gesamten Handels beider Staaten aus – im Unterschied zu 85 Prozent auf dem europäischen Kontinent. In Indien leben mehr als eine Milliarde Menschen, in Pakistan etwa 207 Millionen. Welche Chancen ergäben sich da, würde man die Grenze etwas durchlässiger machen! SN: Welche Rolle spielt die internationale Gemeinschaft? Die Amerikaner, die Europäer, die Vereinten Nationen – sie stehen alle bereit für eine Vermittlungsaktion. Aber eine Vermittlung ist nicht möglich, wenn die Konfliktparteien sie nicht wünschen. Meine Erfahrung als Leiter der UNO-Mission in Libyen ist, dass man streitende Parteien wohl nötigen kann, sich an einen Tisch zu setzen. Aber man kann sie nicht dazu zwingen, dass sie auch verhandeln. Wir können als internationale Gemeinschaft Indien und Pakistan keine Lösung auferlegen. Die Lösung des Kaschmir-Konflikts muss aus der Region selbst kommen. SN: Wie bedrohlich ist es in dieser Situation, dass Indien und Pakistan Atommächte sind? Es ist beunruhigend, dass hier zwei Atomstaaten aufeinandertreffen, die einen Konflikt haben und ihre Atomwaffen einsetzen könnten, um diesen Konflikt zu lösen. Wir müssen darauf drängen, dass die beiden Atommächte in Südasien ihre Probleme friedlich lösen – statt mit Gewalt zu drohen oder militärische Strukturen aufzubauen, die von der je anderen Seite als Gefahr wahrgenommen werden.