Neue Chefin bringt Bewegung in die Viennale
Eva Sangiorgi will für das Festival eine Balance aus bewährten Stärken und neuer Dynamik finden.
Falls ausführliche Einträge im Internetlexikon tatsächlich die Wichtigkeit von Personen des öffentlichen Lebens widerspiegeln sollen, wird es Zeit, dass sie einen bekommt: In der Filmwelt gilt Eva Sangiorgi als Größe mit gutem Netzwerk, als erfahrene Festivalleiterin, Programmiererin und Jurorin. Bei Wikipedia sucht man sie in Europa derzeit noch vergebens.
Das liegt auch daran, dass sich ein Großteil ihrer Arbeit bisher auf Mexiko konzentrierte: In MexikoStadt gründete die 39-jährige Italienerin 2010 das Filmfestival Ficunam, das sie seither leitet. Sobald die diesjährige Ausgabe im März zu Ende geht, stehen ein Umzug und eine neue Aufgabe an: In Wien wurde Eva Sangiorgi am Donnerstag als künftige Direktorin des Filmfestivals Viennale vorgestellt. Aus 30 internationalen Bewerbungen um die Nachfolge des früheren ViennaleLeiters Hans Hurch wurde sie von einer Findungskommission gewählt. Hurch, der das Festival zwei Jahrzehnte lang geprägt hatte, starb 2017.
Seine Handschrift soll auch unter der neuen Direktorin nicht ganz verblassen: Sie wolle das „Erbe hochhalten und die Fähigkeiten des bewährten Teams nutzen“, sagte Sangiorgi zu ihren Zukunftsplänen.
Zugleich aber will sie Bewegung in das Festivalprogramm bringen – zum Beispiel im Zusammenspiel mit anderen Kunstsparten: „Wir werden versuchen, Personen aus anderen Disziplinen an Bord zu holen, die mit bewegten Bildern arbeiten und dabei die Sprache des Films erforschen und lebendig erhalten“, erläuterte die künftige ViennaleChefin.
Trennungen will sie auch innerhalb des Genres aufheben: Zum Beispiel jene zwischen Dokumentarund Spielfilmen in der Programmstruktur, „da die Grenzen dieser Genres immer mehr verschwimmen“. Mehr Weltkino, größere Aufmerksamkeit für (noch) unbekannte Filmschaffende und mehr Kontakt zu jungem Publikum sind weitere Eckpunkte in ihrem Konzept.
Mit Sangiorgi werde die internationale Ausrichtung der Viennale betont, sagte Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ). Ein „Blick von außen, auch auf die österreichische Filmlandschaft, ist gerade in Zeiten wieder aufkommender Nationalismen für das Wiener Filmfestival von eminenter Bedeutung.“Auch Franz Schwartz, der bis zur Übergabe im März interimistischer künstlerischer Leiter bleibt, lobte seine Nachfolgerin. Er könne sich „niemand Besseren für diese Tätigkeit vorstellen“. Mit Sangiorgi erhält die Viennale auch erstmals eine rein weibliche Führung. Ihr Vertrag ist – mit der Möglichkeit einer Verlängerung – auf drei Jahre angelegt.