Ein Sand wird Kulturdenkmal
Das Bundesdenkmalamt vollendet einen Kataster der österreichischen Sandlandschaften.
SALZBURG. Das soll Kulturgut sein? Das Bundesdenkmalamt bestückt mit einer auf den ersten Blick sonderbaren Aufstellung seinen Stand auf der „Monumento“, der Messe für Kulturerbe in Salzburg. Es tritt mit einem Heer von kniehohen Laborgläsern mit wuchtigen Kolbenverschlüssen an, deren Füllung verblüfft: Jedes Glas ist voll Sand.
Zweieinhalb Jahre sei an dieser Sammlung gearbeitet worden, erläutert Astrid Huber, Leiterin der Kartause Mauerbach, wo das Bundesdenkmalamt seine Restaurierwerkstätte und sein Ausbildungszentrum betreibt. Mit 132 Exempeln aus den „charakteristischen Sandlandschaften“Österreichs ist diese Sammlung nun so vollendet, dass sie erstmals als „Kataster der Natursande Österreichs“präsentiert wird. Allerdings: Sollte ein Restaurator oder Handwerker „eine Grube finden, dann bitte melden!“, ersucht Astrid Huber. Denn der Sandkataster solle stetig wachsen.
Nach der bis Samstag dauernden „Monumento“werden die Sande in der Kartause Mauerbach als ständige Schausammlung präsentiert. Und jetzt, im Jänner, wird die dazugehörige Sanddatenbank fürs Internet komplettiert.
Zudem werden in einer druckfrischen Broschüre 30 Sande – vom Lesachsand aus Weißenbach in Tirol bis zum Gailsand aus Dellach in Kärnten – in Wort und Farbbild porträtiert. In diese Elite hat es auch der Salzachsand geschafft, der einst unabdingbar zum Verputzen von Konglomerat-Mauern gewesen ist.
Warum ist ein Sand so kostbar, dass er zum erhaltenswerten Kulturgut wird? Erst im späten 19. Jahrhundert wurde wieder aufgenommen, was davor nur die Alten Römer gemacht hatten: Stein zu Sand mahlen. Dazwischen gab es nur natürlich vorkommenden Sand als Baumaterial – an Flüssen oder in Gruben an einstigen Meeresküsten wie Wiener oder Eisenstädter Becken. Diese Sande wurden nur im regionalen Umkreis verwendet, da der Transport bis ins 19. Jahrhundert zu mühselig gewesen wäre. Um alte Putze zu restaurieren, sei es bisher schwierig gewesen, passende Sande und Sandgruben zu finden, berichtet Astrid Huber. Da soll der Kataster helfen. Für jeden Sand wird darin beschrieben, was die Experten Petrografie nennen: Farbe, Rundungsgrad, Korngrößenverteilung, Sedimente und typische Verwendung – Melker Sand für die Schallaburg, Mursand für die Grazer Leechkirche oder Salzachsand für die Festung Hohensalzburg.
Manchmal wurden diese Verputze gefärbelt; dafür nötige Farben hat die Pigmentmanufaktur Enzinger aus Teisendorf – einer der wenigen derartigen Spezialisten in Europa – auf die „Monumento“gebracht. Oft wurde der Putz auch nur farblos gekalkt, womit das Weiß der Festung Hohensalzburg zu erklären ist.
Wird aber bloß der Putz aufgebracht, kommt die Farbe des Sandes zur Geltung – sei es gelblich oder rötlich. Dunkelgraue Putze wie an Bauernhäusern im Flachgau oder im Rupertiwinkel enthalten Schlackensand aus der einstigen Eisenindustrie im Achthal bei Teisendorf. Oder: Für die im Jugendstil wichtige Materialsichtigkeit sei für helle, strahlende Putze – wie für die Wiener Secession – Vöslauer Dolomitsand verwendet worden, erläutert Karl Stingl, Geologe des Bundesdenkmalamts (BDA).
Auch andere Anwendungen von Natursand sind auf der „Monumento“zu erkunden. Am Stand des BDA werkt Alois Falkinger, den Astrid Huber als „letzten Handziegler Österreichs“bezeichnet. Er formt den Lehm, den er mit Quarzsand und Häcksel abgemagert hat, im hölzernen Model, der zuvor – wie eine Kuchenform mit Mehl – mit Sand ausgekleidet worden ist; daher kommt übrigens die Berufsbezeichnung „Sandler“.
Gegenüber stellt Peter Bucher aus Fieberbrunn sein Können vor: Er verwendet Natursand unter anderem für Betonplatten in der Technik des 19. Jahrhunderts – für den originalgetreu nachgebauten Boden im Salzburger Landesgericht oder für das Dach des Salzburger Hauptbahnhofs.
„Wer eine Grube findet: Bitte melden!“ Astrid Huber, Kartause Mauerbach