Salzburgs Altstadt braucht mehr Bewohner
Vitaler Lebensraum oder touristische Kulisse? Für die Menschen, die im UNESCO-Welterbe leben, ist es ein täglicher Spagat.
SALZBURG-STADT. Salzburgs Altstadt ist nicht zuletzt wegen ihrer Auszeichnung als UNESCOWelterbe vor bald 22 Jahren ein Touristenmagnet. Für viele Salzburger ist das Gleichgewicht zwischen vitalem Lebensraum und touristischer Kulisse aus den Fugen geraten. „Wenn ich aus meinem Wohnzimmerfenster blicke, sehe ich manchmal Horden von Touristen über den Kapitelplatz strömen“, beschreibt etwa Altstadt-Bewohnerin und Landeskonservatorin Eva Hody.
Im Vorjahr brachten mehr als 50.000 Busse Tagestouristen in die Altstadt. „Bei 30.000 müsste Schluss sein“, ist Hotelier und Altstadtkaufleute-Obmann Andreas Gfrerer überzeugt. 2,9 Millionen Nächtigungen stehen knapp neun Millionen Tagestouristen gegenüber.
Dennoch: Zwei Drittel des Umsatzes machen die Altstadtkaufleute immer noch mit Einheimischen. Das ist freilich nicht in Stein gemeißelt. „Je stärker der Tourismus wächst, umso weniger Waren für die eigene Bevölkerung können wir anbieten“, erklärt Altstadt-Marketing-Chefin Inga Horny.
Braucht die Altstadt eine Touristen-Obergrenze? „Man kann die Stadt mit Touristen anfüllen, aber das steht im Widerspruch zum Premiumprodukt Altstadt“, sagt Hotelier Gfrerer.
Auch wenn Altstadt-Marketing-Leiterin Inga Horny die Vorzüge des Altstadtwohnens sehr schätzt: Eine Obergrenze in besonders touristenintensiven Phasen oder an einzelnen Tagen kann sie sich vorstellen. Ein an- derer Vorschlag kommt von Stadtentwickler Robert Krasser vom Salzburger Institut für Raumordnung (SIR): „Mit neuen Attraktionen abseits der Innenstadt könnte man die Touristenströme besser verteilen. Je attraktiver für Fußgänger ich angrenzende Bereiche mache, umso mehr kann man Touristenkonzentrationen vermeiden.“Potenzial sieht er etwa in der Verlängerung von der Altstadt nach Mülln.
Den vielen Touristen hat die Altstadt nur wenige Einheimische entgegenzusetzen: Nur rund 10.800 Salzburger wohnen in der geschützten Altstadt. Eine
davon ist Architektin Heide Mühlfellner. „Gerade abends sieht man nur vereinzelt Licht in den Häusern brennen. Wie schön wäre es, wenn hier mehr Menschen wohnen würden“, bringt sie es auf den Punkt. Sie plädiert für eine Strukturanalyse, bei der nicht nur erhoben wird, wo es leer stehende Wohnungen gibt, sondern auch darüber nachgedacht wird, wie sie genutzt werden könnten. Inga Horny plädiert für „intelligente Maßnahmen, um Wohnraum zu kostengünstigen Konditionen anbieten zu können – wie etwa ein eigenes Wohnbauförderungs-Modell“.
Doch auch der Strukturwandel bereitet so manchem Sorgen. Einer dieser Menschen ist Baurechtsamt-Leiter und Altstadtbewohner Alexander Würfl: „Seit Jahrzehnten ändert sich die Eigentümerstruktur, immer mehr Altstadthäuser gehören Konzernen, Geschäfte sind den Launen internationaler Handelsriesen ausgesetzt. Das kann man nicht mit Vorschriften in den Griff bekommen, dieser Wechsel findet einfach statt. Irgendwie haben wir hier den Faden verloren.“