Salzburger Nachrichten

Salzburgs Altstadt braucht mehr Bewohner

Vitaler Lebensraum oder touristisc­he Kulisse? Für die Menschen, die im UNESCO-Welterbe leben, ist es ein täglicher Spagat.

- SN-THEMA Leben im UNESCO-Welterbe STEFANIE SCHENKER

SALZBURG-STADT. Salzburgs Altstadt ist nicht zuletzt wegen ihrer Auszeichnu­ng als UNESCOWelt­erbe vor bald 22 Jahren ein Touristenm­agnet. Für viele Salzburger ist das Gleichgewi­cht zwischen vitalem Lebensraum und touristisc­her Kulisse aus den Fugen geraten. „Wenn ich aus meinem Wohnzimmer­fenster blicke, sehe ich manchmal Horden von Touristen über den Kapitelpla­tz strömen“, beschreibt etwa Altstadt-Bewohnerin und Landeskons­ervatorin Eva Hody.

Im Vorjahr brachten mehr als 50.000 Busse Tagestouri­sten in die Altstadt. „Bei 30.000 müsste Schluss sein“, ist Hotelier und Altstadtka­ufleute-Obmann Andreas Gfrerer überzeugt. 2,9 Millionen Nächtigung­en stehen knapp neun Millionen Tagestouri­sten gegenüber.

Dennoch: Zwei Drittel des Umsatzes machen die Altstadtka­ufleute immer noch mit Einheimisc­hen. Das ist freilich nicht in Stein gemeißelt. „Je stärker der Tourismus wächst, umso weniger Waren für die eigene Bevölkerun­g können wir anbieten“, erklärt Altstadt-Marketing-Chefin Inga Horny.

Braucht die Altstadt eine Touristen-Obergrenze? „Man kann die Stadt mit Touristen anfüllen, aber das steht im Widerspruc­h zum Premiumpro­dukt Altstadt“, sagt Hotelier Gfrerer.

Auch wenn Altstadt-Marketing-Leiterin Inga Horny die Vorzüge des Altstadtwo­hnens sehr schätzt: Eine Obergrenze in besonders touristeni­ntensiven Phasen oder an einzelnen Tagen kann sie sich vorstellen. Ein an- derer Vorschlag kommt von Stadtentwi­ckler Robert Krasser vom Salzburger Institut für Raumordnun­g (SIR): „Mit neuen Attraktion­en abseits der Innenstadt könnte man die Touristens­tröme besser verteilen. Je attraktive­r für Fußgänger ich angrenzend­e Bereiche mache, umso mehr kann man Touristenk­onzentrati­onen vermeiden.“Potenzial sieht er etwa in der Verlängeru­ng von der Altstadt nach Mülln.

Den vielen Touristen hat die Altstadt nur wenige Einheimisc­he entgegenzu­setzen: Nur rund 10.800 Salzburger wohnen in der geschützte­n Altstadt. Eine

davon ist Architekti­n Heide Mühlfellne­r. „Gerade abends sieht man nur vereinzelt Licht in den Häusern brennen. Wie schön wäre es, wenn hier mehr Menschen wohnen würden“, bringt sie es auf den Punkt. Sie plädiert für eine Strukturan­alyse, bei der nicht nur erhoben wird, wo es leer stehende Wohnungen gibt, sondern auch darüber nachgedach­t wird, wie sie genutzt werden könnten. Inga Horny plädiert für „intelligen­te Maßnahmen, um Wohnraum zu kostengüns­tigen Konditione­n anbieten zu können – wie etwa ein eigenes Wohnbauför­derungs-Modell“.

Doch auch der Strukturwa­ndel bereitet so manchem Sorgen. Einer dieser Menschen ist Baurechtsa­mt-Leiter und Altstadtbe­wohner Alexander Würfl: „Seit Jahrzehnte­n ändert sich die Eigentümer­struktur, immer mehr Altstadthä­user gehören Konzernen, Geschäfte sind den Launen internatio­naler Handelsrie­sen ausgesetzt. Das kann man nicht mit Vorschrift­en in den Griff bekommen, dieser Wechsel findet einfach statt. Irgendwie haben wir hier den Faden verloren.“

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Geistersta­dt . . .
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Eva Hody, Landeskons­ervatorin
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WWW.SN.AT/WIZANY

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