Vernehmliche Töne aus dem Westen
Die Landeshauptleute der Westachse ziehen gen Wien. Das ist ein deutliches Signal an die neue Bundesregierung.
WIEN. Man werde eine „starke Westachse bilden“und „einander unterstützen“. Das sprach der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter.
Allerdings sagte er das nicht jetzt, sondern bereits am 7. Dezember 2011. Man hatte soeben den langjährigen Vorarlberger Landeshauptmann Herbert Sausgruber in die Pension verabschiedet, seine Kollegen streuten dem verdienten Landesvater Rosen – und beschlossen, fürderhin noch einiger und energischer gegen das ferne Wien und die dort amtierende Bundesregierung, damals in Rot-Schwarz, aufzutreten. Die Westachse, bestehend aus den Landeshauptleuten von Salzburg, Tirol und Vorarlberg, war geboren. Beziehungsweise geschmiedet.
Und hält bis in die Gegenwart. Morgen, Sonntag, findet auf Einladung Platters ein „Koordinationstreffen“der Westachse in Wien statt. Der urlaubende Salzburger LH Wilfried Haslauer lässt sich durch Landtagspräsidentin Brigitta Pallauf vertreten. Dafür ist diesmal auch der Südtiroler LH Arno Kompatscher dabei. Die westlichen Landesfürsten wollen der neuen Regierung signalisieren, dass mit ihnen auch in türkis-blauen Zeiten zu rechnen sein wird. Man wolle „deutlich machen, dass seitens der Länder die Bereitschaft“da sei, ge- meinsame Interessen durchzusetzen, sagte Platter.
Und in der Tat, es gibt einiges zu besprechen zwischen den Ländern und der Bundesregierung. Und zwar nicht nur, was das Uralt-Vorhaben einer Bereinigung der oft verwobenen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern ist. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Wochen etliche Vorhaben kundgetan, die die Länder finanziell massiv treffen und die sie wohl nicht einfach hinnehmen werden.
Dass drei der neun Bundesländer einen roten, sechs hingegen einen schwarzen Landeshauptmann haben, tut übrigens der Einigkeit der Länder vor allem in Finanzfragen keinen Abbruch. Sie alle reagieren mit heftigem Protest, wenn sie das Gefühl haben, dass der Bund ihnen in die Tasche greift. Dass sich Salzburg, Vorarlberg und Tirol nebst Südtirol am Sonntag zu einem Sondertreffen ohne die östlichen und südlichen Länder zusammenfinden, hat eher geografische denn politische Gründe. Die westlichen Bundesländer verfolgten eben in vielen Bereichen ähnliche Interessen, sagte Platter vor dem Treffen der Westachse, die bereits geschmiedet wurde, als in Salzburg noch SPÖ-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller amtierte.
Welche Themen und Probleme sind es nun, die Konflikte zwischen den Bundesländern und der neuen Bundesregierung auslösen könnten beziehungsweise schon ausgelöst haben?
1. Einheitliche Mindestsicherung Vor allem Wien sieht sich als Bollwerk gegen die Politik der türkisblauen Bundesregierung. Das zeigt sich auch an der Rhetorik der vergangenen Wochen: Andreas Schieder, der Nachfolger von Bürgermeister Michael Häupl werden will, kündigte den Gang vor den Verfassungsgerichtshof an, sollte die Bundesregierung eine einheitliche Mindestsicherung für ganz Österreich durchsetzen wollen. Wobei es vor allem um die Kürzungen geht, die FPÖ und ÖVP angekündigt haben und die Wien nicht akzeptieren will. Dass da mehrere Mitglieder der rot-grünen Wiener Stadtregierung immer wieder betonten, der Bund wolle Wien finanziell aushungern, passt ins Bild.
Die Pläne der Bundesregierung zur Kürzung der Mindestsicherung würden übrigens das explodierende Wiener Sozialbudget retten, doch das würde ein aufrechter Wiener SPÖ-Politiker niemals zugeben. Auch Bürgermeister Michael Häupl stellt den Gang vor das Verfassungsgericht in Aussicht, und zwar wegen der Pläne der neuen Bundesregierung zur Reform des Arbeitslosengeldes.
2. Wer zahlt den Pflegeregress?
Den Wegfall des Pflegeregresses, der mitunter zu einer „hundertprozentigen Erbschaftssteuer“werden konnte, wurde knapp vor der Wahl vom Parlament beschlossen und allseits begrüßt. Pensionisten, die in einem Alten- oder Pflegeheim wohnen, müssen nun nicht mehr ihr Vermögen aufwenden, um ihren Heimplatz bezahlen zu können, wenn Pension und Pflegegeld nicht ausreichen. Weniger Begeisterung weckten die finanziellen Folgen dieser Wohltat, vor allem in den Ländern. Denn diese durften den Pflegeregress bisher einheben. Der Entfall dieser Einnahmen will der Bund den Ländern bzw. den Gemeinden ersetzen. Allerdings: Auf eine konkrete Summe hat sich der Bund bisher nicht festgelegt. Die Länder wollen auf jeden Fall vermeiden, dass sie für die Entscheidung des Bundes zur Kassa gebeten werden. Es geht um mehrere Hundert Millionen Euro.
3. Abschaffung der Notstandshilfe
Ums Geld geht es auch bei den Plänen der Regierung, das Arbeitslosengeld neu zu gestalten. Wie dieser Plan konkret aussehen wird, steht zwar noch nicht fest, aber es zeichnet sich ab, dass die Notstandshilfe abgeschafft werden könnte. Langzeitarbeitslose würden also in der Mindestsicherung landen. Das könnte nicht nur für die Langzeitarbeitslosen eine finanzielle Falle sein, sondern auch für die Länder. Denn die vor der Abschaffung stehende Notstandshilfe ist eine Leistung der Arbeitslosenversicherung, für die Kosten kommt das Arbeitsmarktservice auf. Die Mindestsicherung ist hingegen eine Fürsorgeleistung, das letzte soziale Netz, und dafür sind die Länder verantwortlich. Die Befürchtung der Landeshauptleute ist hier ähnlich wie beim Pflegeregress: Sie könnten mit erheblichen Zusatzkosten konfrontiert werden. Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer, immerhin stellvertretender ÖVP-Bundesparteiobmann, lehnt die von der Bundesregierung geplante Verschiebung der Notstandshilfebezieher in die Mindestsicherung nicht kategorisch ab. Er fordert aber, dass „dann auch die finanzielle Ausstattung für die Länder sichergestellt wird“. Erste Berechnungen haben nach Angaben Stelzers ergeben, dass die geplante Maßnahme allein für Oberösterreich Kosten von 160 Millionen Euro verursachen würde.
4. Einige Länder wollen die Gesamtschule
Aber auch im Schulbereich existieren unterschiedliche Auffassungen. Dass die roten Bundesländer gern die Gesamtschule einführen würden, ist bekannt. Aber auch Vorarlberg will ein eigenes Modell für eine Gesamtschule entwickeln, die im gesamten Land getestet werden soll. Die rechtlichen Möglichkeiten wären durch die jüngste Bildungsreform vorhanden. Die Bundesregierung hat sich aber für die Beibehaltung und Verbesserung des derzeitigen Bildungssystems entschieden. Das von der SPÖ ungeliebte Gymnasium soll unter der neuen Regierung wieder aufgewertet werden. Nach der Volksschule soll nach dem Willen der Koalition, wie bisher, sowohl der Besuch eines Gymnasiums als auch der Neuen Mittelschule, vormals Hauptschule, möglich sein. Der in einer schwarz-grünen Landesregierung befindliche Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner will seine Gesamtschulpläne aber nicht begraben. Immerhin habe sich bei einer Befragung eine Mehrheit für diese Schulform aus- gesprochen. Es werde nun eben ein „ein etwas schwieriger Weg werden“, sagte Wallner kürzlich ohne jeden Anflug von Resignation.
5. Atmosphärische Differenzen
Auch atmosphärisch gibt es einiges aufzuarbeiten. Bei den Koalitionsverhandlungen saßen anders als in früheren Zeiten keine Vertreter der Bundesländer mit am Tisch. Auch in die Verhandlungen über die Staatsfinanzen wurden sie nicht wirklich eingebunden. Und zwar von beiden Parteien nicht. Sebastian Kurz verzichtete auf das Knowhow eines Wilfried Haslauer oder Markus Wallner, Heinz-Christian Strache auf die des blauen oberösterreichischen Landesrats Manfred Haimbuchner. Auch dass die Bundesländer nicht wie einst nach einem Quasi-Proporz in der Regierung vertreten sind, blieb in den Landeshauptstädten nicht unbemerkt.
„Gemeinsame Interessen durchsetzen.“Günther Platter, LH von Tirol