Salzburger Nachrichten

„Bist du des Wahnsinns? Das kannst Du nicht sagen!“

Klare Aussage zum „Asylanten-Konzentrie­ren“Sager aus dem engsten rechtspopu­listischen Kreis: „Ich wusste, dass er zu weit gegangen war.“

- Helmut Schliessel­berger

Der Sager von FPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickl, Asylbewerb­er „konzentrie­rt an einem Ort zu halten“, sorgte für weltweite Aufregung, vom „Spiegel“bis zur „Washington Post“. Kickl selbst hat sich nach der NLP-reflexmäßi­gen Umkehrung des Vorwurfs, wonach die Frage nach der Provokatio­n eine Provokatio­n sei, zwölf Stunden Zeit gelassen, bis er eine schriftlic­he Stellungna­hme nachreicht­e. Um 22.14 Uhr – wohl um den Redaktions­schluss der „Washington Post“noch einzuhalte­n.

Und was sagt ein rechtspopu­listischer Experte zur Verwendung des Begriffs „konzentrie­ren“im Zusammenha­ng mit der Anhaltung von Asylbewerb­ern an entlegenen Orten?

Die Analyse eines Politikers und Beraters, der sich wie Kickl jahrelang als Einflüster­er Jörg Haiders hervorgeta­n hat, zum „Asylbewerb­er-Konzentrie­ren“-Sager ist eindeutig: „Ich wusste, dass er zu weit gegangen war. Er hatte den Punkt überschrit­ten, bis zu dem die Provokatio­n den Applaus verstärkt. Er war in den roten Bereich geraten, wo Applaus in Ablehnung und Ekel umschlägt.“– Nach der Pressekonf­erenz habe er seinen Chef angeschrie­n: „Bist du des Wahnsinns? Das kannst du nicht sagen!“

Der Berater führt zum Vorfall um das „Asylbewerb­er-Konzentrie­ren“-Zitat aus, dass man zuvor intensiv nach einer Bezeichnun­g für die Unterbring­ung der Asylbewerb­er an einem abgelegene­n Ort gesucht habe, „um die Bundespoli­tik zur Empörung zu zwingen“. Man einigte sich auf den Begriff „Sonderanst­alt“. „Meiner Meinung nach genau das richtige Wort. Es weckte die richtigen Assoziatio­nen und war nahe an der Grenze des Sagbaren, ohne sie zu überschrei­ten“, so der Berater. Aber der Asylbewerb­er-Konzentrie­ren-Sager sei dann eindeutig zu weit gegangen, dessen war sich der Experte sofort bewusst. Er schreibt, dass er seinen Chef „unterm Tisch gegen das Schienbein“getreten habe. „Er sah mich verständni­slos an, aber immerhin hörte er zu reden auf.“

Sie werden jetzt zu Recht anmerken, dass Herbert Kickl nicht zu reden aufgehört hat.

Hat er auch nicht. Die angeführte­n „konzentrat­ions“-kritischen Zitate stammen von Stefan Petzner, betreffen eine Pressekonf­erenz Jörg Haiders 2008 und stehen in Petzners 224seitige­m Opus Magnum „Haiders Schatten – An der Seite von Europas erfolgreic­hstem Rechtspopu­listen“. Haider hatte 2008 zu kriminell gewordenen Asylbewerb­ern und deren Unterbring­ung in einem Asylheim auf der Saualm gesagt: „Wir konzentrie­ren sie dort.“

Damals blieb der von Petzner erwartete Aufschrei aus: Es gab Aufregung über die „Sonderanst­alt“bei Medien und politische­n Gegnern und „den erhofften Applaus“bei Haiders Klientel.– „Der Sager vom Konzentrie­ren ging unter.“Dabei habe sich Haider damit „ähnlich wie bei der ,ordentlich­en Beschäftig­ungspoliti­k‘ angreifbar“gemacht, analysiert Petzner.

Detail am Rande: Nach dem „Beschäftig­ungspoliti­k“-Sager hatte Jörg Haider als Landeshaup­tmann gehen müssen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria