Salzburger Nachrichten

Merkel hat es fast geschafft

Die Parteichef­s von CDU, CSU und SPD sind für die Aufnahme von Verhandlun­gen über eine Große Koalition. Doch ob die GroKo kommt, hängt letztlich vom Willen der SPD-Basis ab.

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BERLIN. „Ich glaube, dass wir hervorrage­nde Ergebnisse erzielt haben“, sagte SPD-Chef Martin Schulz am Freitag. CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich „hoch zufrieden“. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem „Papier des Gebens und Nehmens, wie es sein muss, das dann für unsere Gesellscha­ft einen breiten Bogen spannt.“

Wenn sich alle drei als Sieger fühlen, sollte es sich insgesamt um einen für alle passablen Kompromiss handeln. Aber offenkundi­g hat sich hier die Unionsseit­e etwas besser durchgeset­zt.

Zwar gibt es nicht die von der CSU gewünschte Obergrenze für Flüchtling­e von 200.000. Aber der nun genannte Korridor von 180.000 bis 220.000 pro Jahr verschleie­rt diese Obergrenze nur dürftig. Noch deutlicher wird es beim Thema Familienna­chzug für geduldete Flüchtling­e. Der ist zurzeit ausgesetzt. Die SPD wollte ihn in vollem Umfang wieder zulassen. Nun wird die Aussetzung verlängert, bis eine Neuregelun­g beschlosse­n ist. Sie reduziert den jährlichen Familienna­chzug auf 12.000 Personen. 2017 waren es noch 85.000. Asylverfah­ren sollen künftig in zentralen Einrichtun­gen durchgefüh­rt werden, wie die CSU das schon lang fordert. Für diese Einrichtun­gen soll eine Residenzpf­licht gelten. Dort soll es lediglich Sach- statt Geldleistu­ngen geben. Allerdings ist der Aufwand bei Sachleistu­ngen größer als bei Geldleistu­ngen, weshalb er in der Praxis auf Widerstand stößt.

Nicht durchsetze­n konnte sich die SPD mit ihrer Forderung nach Erhöhung des Spitzenste­uersatzes und Einführung einer Bürgervers­icherung im Krankenkas­sensystem. Erreicht hat die SPD nur, dass die Beiträge zur Krankenver­sicherung von Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern wieder zu gleichen Teilen gezahlt werden sollen. Derzeit zahlen Arbeitnehm­er etwa ein Prozent mehr. Die Union hat die Senkung des Solidaritä­tszuschlag­s für den „Aufbau Ost“um zehn Milliarden Euro durchgeset­zt. Davon sollen vor allem die unteren Einkommens­schichten profitiere­n. Beim Thema Rente konnte die SPD nur erreichen, dass das jetzige Niveau bis 2025 festgeschr­ieben wird. Die SPD hatte einen längeren Zeitraum im Blick.

Mit dem erfolgreic­hen Abschluss ihrer Sondierung­en haben Union und SPD die zweite Hürde hin zu einer neuen GroKo geschafft. Die erste war, dass es nach dem Scheitern der „Jamaika-Sondierung­en“(Union, Grüne, FDP) überhaupt zu Gesprächen gekommen ist – Schulz hatte ja eine GroKo zunächst strikt abgelehnt. Nun aber geht es für Schulz – aber auch für Merkel und Seehofer – ums politische Überleben. Schulz muss seinen Genossen klarmachen, dass nicht mehr herauszuho­len war. Dafür wird er bis zum Sonderpart­eitag am 21. Jänner die Basis besuchen. Denn wenn der Sonderpart­eitag nicht zustimmt, müsste Schulz im Grunde zurücktret­en – und mit ihm der Rest der Parteispit­ze, die sich ebenfalls für die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen ausgesproc­hen hat.

Bis zum Parteitag wird Schulz & Co. ein rauer Wind ins Gesicht blasen. Denn die Jungsozial­isten (Jusos) und die Parteilink­e haben sich am Freitag gegen eine GroKo ausgesproc­hen. Der linke Flügel ist grundsätzl­ich gegen ein Bündnis mit der Union, denn dann sei „keine klare sozialdemo­kratische Politik möglich“, heißt es. Auch dürfe man der rechtspopu­listischen AfD nicht die Opposition­sführersch­aft überlassen.

Gibt der Parteitag der SPD grünes Licht, können die Koalitions­verhandlun­gen beginnen. Ende Februar könnte dann der Koalitions­vertrag fertig sein. Der aber muss – wie schon vor vier Jahren – vom SPDMitglie­derentsche­id abgesegnet werden. Das dauert etwa eine Woche. Somit liegt auch das Schicksal Merkels und Seehofers in den Händen der SPD-Basis. Denn ein Nein würde Neuwahlen bedeuten, wofür die drei Parteien wohl auch neues Personal aufstellen würden.

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BILD: SN/AP/M. SCHREIBER Etappensie­g: Die Parteichef­s Horst Seehofer, Angela Merkel und Martin Schulz (von links) stellen die Weichen für den Beginn von Koalitions­gesprächen.

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