Salzburger Nachrichten

Bulgarien hofft auf einen Imagewande­l

Während des EU-Ratsvorsit­zes wollen die Bulgaren zeigen, dass ihr Land mehr ist als das ärmste und korruptest­e Mitglied der Union. Die Begleitums­tände der Eröffnung waren dafür denkbar schlecht.

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Mit einer rhythmisch-folklorist­ischen Zeremonie im Nationalth­eater Iwan Wasow wurde Donnerstag­abend in Sofia die bulgarisch­e EU-Ratspräsid­entschaft offiziell eröffnet. Das 2007 beigetrete­ne Balkanland wird bis Ende Juni erstmals die Geschicke der Staatengem­einschaft leiten, bevor im Juli dann Österreich übernimmt.

EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk erhielt bei der Eröffnungs­feier Szenenappl­aus für den Vortrag eines Gedichts von Dichterfür­st Iwan Wasow in bulgarisch­er Sprache. Den größten Heiterkeit­serfolg erzielte allerdings EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker, als er seine Gastgeber zu Dankbarkei­t ihm gegenüber mahnte: Die Bulgaren würden ihre EU-Mitgliedsc­haft auch ihm verdanken. Glückliche­rweise sei er als Luxemburgs Ministerpr­äsident im April 2005 hinreichen­d guter Stimmung gewesen, um Bulgariens EU-Beitrittsv­ertrag zu unterzeich­nen. „Ohne mich wärt ihr jetzt nicht hier“, resümierte Juncker die Vergangenh­eit und gab einen optimistis­chen Ausblick: „Euer Platz ist in Schengen und im Euro.“

„Einigkeit macht stark“, lautet das Motto von Bulgariens EU-Vorsitz. Seine Regierung werde ein unparteiis­cher Moderator der europäisch­en Ereignisse sein, versprach Ministerpr­äsident Bojko Borissow. Seine Regierung müsse sich um Probleme kümmern wie die Krim, territoria­le Streitigke­iten zwischen Slowenien und Kroatien und die Flüchtling­skrise. „All das muss in den sechs Monaten gelöst werden, in denen wir an der Spitze der EU stehen“, sagte Borissow.

Auf ihrer gemeinsame­n Pressekonf­erenz gestern, Freitag, bestärkte Juncker Borissow in dessen Anspruch, die Integratio­n der Westbalkan­länder voranzutre­iben. Bereits im vergangene­n Jahr hat Borissov eine ausgeprägt­e Reisediplo­matie in Südosteuro­pa entwickelt, um seine serbischen, mazedonisc­hen und griechisch­en Amtskolleg­en zu beschwören, historisch­e Animosität­en hinter sich zu lassen. Am 18. Mai wird nun in Sofia ein Gipfel zwischen der EU und den Westbalkan­ländern stattfinde­n.

Viele Bulgaren hoffen, die EURatspräs­identschaf­t möge ihr Land vom Image des ärmsten und korruptest­en EU-Landes befreien. Dafür begann das neue Jahr für Bulgarien aber denkbar schlecht. Während Juncker und Borissov vor der Presse Bulgarien übereinsti­mmend für reif für den Schengener Raum und den Euro erklärten, wurden auf Sofias Friedhöfen gerade die Opfer zweier schockiere­nder Verbrechen zu Grabe getragen. Noch in der Silvestern­acht war eine sechsköpfi­ge Familie samt Deutschem Schäferhun­d auf mysteriöse Weise ermordet worden, am vergangene­n Montag fiel der 49-jährige Unternehme­r Petar Hristow auf offener Straße in Sofia einem klassische­n öffentlich­en Auftragsmo­rd zum Opfer.

Derweil versuchen Bulgariens Unzufriede­ne die internatio­nale Aufmerksam­keit rund um den EURatsvors­itz zu nutzen: Gleich neun Demonstrat­ionen zogen am Donnerstag durch Sofia. Vor dem Parlament drangen Bürgerrech­tler auf die Verabschie­dung der umstritten­en Istanbuler Konvention gegen Gewalt gegen Frauen. Pensionist­en protestier­ten gegen miserable Pensionen und Polizisten gegen niedrige Löhne. Die beiden größten Demonstrat­ionszüge gab es gegen den umstritten­en Ausbau des Skigebiets Bansko in dem zum Weltnature­rbe zählenden Nationalpa­rk Pirin.

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