Die Erinnerung an den Krieg tanzt mit
100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg fragen Performancekünstler mit der Show „Vive l’Armée!“nach Parallelen zwischen damals und heute.
SALZBURG. Geschichte zu lernen, ist die eine Sache, Geschichte am eigenen Leib zu erspüren, kann einen anderen Eindruck hinterlassen. „Das war ein intensiver Moment, als die Jugendlichen die Uniformen der Soldaten anzogen, die damals nicht viel älter waren als sie, und als sie auf dem Schlachtfeld standen, wo unzählige Soldaten aus den Armeen der Kriegsnationen starben“, erzählen die Mitglieder des Kunstkollektivs Superamas.
Ein Jahr lang führten die Künstler mit französischen Schülern in Amiens Workshops zum Thema Erster Weltkrieg durch. Nicht weit entfernt von der französischen Stadt hatte 1916 die verlustreichste Schlacht des Kriegs stattgefunden. Aus dem Filmmaterial, das die Performer mit den Jugendlichen erarbeitet hatten, wurde eine zentrale Ebene der Superamas-Performance „Vive l’Armée!“. Mit der SalzburgPremiere des (2016 uraufgeführten) Stücks beginnt am Montag das einwöchige Szene-Festival „Performing New Europe“.
Superamas sind für Bühnenprojekte bekannt, in denen sich Performance, Film, Licht und Sound zu vielschichtigen Werken verbinden können. Dass sie durch die Erfolge früherer Arbeiten wie „Big“oder „Casino“die Allüren von SzeneStars entwickelt hätten, lässt sich nicht behaupten: Noch immer wollen die Mitglieder in Interviews nicht mit individuellen Namen auftauchen, sondern nur als Gruppe benannt werden. Beim Entstehen neuer Projekte sei es dennoch stets Teil der Kunst, die Ideen von sechs individuellen Köpfen auf eine Bühne zu bringen. „Von jedem ist viel Persönliches dabei.“Die Idee zu „Vive l’Armee!“entstand aber aus einem kollektiven Gedenkanlass.
2014 jährte sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal. Auch für Superamas habe dieses Datum den Ausschlag zu einer Auseinandersetzung mit den Mitteln der Kunst gegeben. Nicht rein historisch sollte das jedoch auf der Bühne passieren, sondern aus einem anderen Blickwinkel. „Wir suchten nach Parallelen zwischen damals und heute.“Zwischen Endzeitstimmung und einem Klima der Zukunftsangst ließen sich solche durchaus finden. Dann trafen die Terroranschläge Paris, Frankreichs Premierminister erklärte, das Land sei im Krieg. „Zugleich fanden überall Gedenkveranstaltungen statt. Der Krieg von damals und der von heute rückten einander plötzlich ziemlich nah.“
Im Stück „Vive l’Armee!“verschränkt sich die filmische Ebene, die Jugendliche als historische Soldaten zeigt („da trifft die Zukunft auf die Geschichte“), mit der Performance-Handlung: Eine Pariser Modeschau, bei der die Oberflächlichkeit im Military-Look zelebriert wird, verwandelt sich in die reale Szene eines terroristischen Kidnappings.
Zwischen Geschichte und Gegenwart, Kunst und Bildungsprojekt arbeiten Superamas auch aktuell weiter. Bei den Wiener Festwochen wird „Chekhov Fast & Furious“Premiere haben. In Workshops sollen sich Jugendliche, die in der YouTube-Welt aufwachsen, dafür demnächst dem Geist von Tschechows „Onkel Wanja“nähern. „Welchen Zugang finden Sie zum Medium Theater? Das interessiert uns.“ Festival: WWW.SZENE-SALZBURG.NET