Das Hauptthema dieser Koalition ist ihre Kommunikation
Um täglich einen anderen Minister durch die Medien zu treiben, genehmigt sich die Regierung enormen Aufwand für Pressearbeit.
Wenn Politiker antworten sollen, was sie wirklich wollen, sagen sie oft: „Gestalten“. Damit meinen sie nicht jene Figuren, die den Ruf ihres Metiers gefährden, sondern so umschreiben sie ihre Sehnsucht nach Veränderung. Sie möchten Spuren hinterlassen. Peter Hartz ist das zweifellos gelungen. Der Nachname des mittlerweile 76-Jährigen ist gleichbedeutend mit Sozialabbau. Bezeichnenderweise ist Hartz aber kein Politiker. Der Manager war als Personalvorstand von Volkswagen Leiter jener mittlerweile berüchtigten „Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, die Deutschlands Wirtschaftspolitik ebenso nachhaltig verändert hat wie die Sozialdemokratie.
Wenn heute Hartz als Schreckgespenst für Veränderungen der türkis-blauen Regierung herhalten muss, signalisiert schon die Tarnfarbe den Unterschied von altroter nachbarlicher Vergangenheit zu neuschwarzer hiesiger Gegenwart. Hier wird übertüncht, was dort verändert wurde.
25 Tage nach Angelobung sind nicht genug für ein endgültiges Urteil, aber der frühzeitige Eindruck prägt bereits: Kurz kann Kommunikation. Das Konzept der Koalition besteht in extrem kontrollierter, womöglich aktiver statt reagierender Öffentlichkeitsarbeit. Das Vorbild dafür ist Obama. Der gute Amerikaner war auch mehr Show als Inhalt – obwohl eine solche Einschätzung angesichts des bösen Nachfolgers Trump unpopulär klingt.
Gerade weil das neue Gouvernement in Wien auf Lautsprecher angelegt ist, sind Auftritte wie jener der Sozialministerin nicht bloß kleine Pannen. Je weniger Substanz, desto mehr Gewicht erhält jeder Widerspruch. Noch ist die Regierung an nichts außer ihren Ankündigungen zu messen. Für diese Beziehungspflege zum Bürger betreibt sie enormen Aufwand. Die Sichtbarkeit eines Regierungssprechers ist nur die Spitze eines Eisbergs, der auch durchs Überdrüber der neuen Generalsekretäre in den Ministerien nicht hinlänglich abgebildet wird.
Das wahre Ausmaß der Propaganda wird erst durch die Zahl der Pressesprecher sichtbar: vier in jedem Ressort – zwei für den traditionellen Journalistenkontakt, einer für Video und einer für Social Media. Je nach Zählart wären das insgesamt 48, 56 oder 64. Denn der Sparwille wird am besten durch ein Dutzend symbolisiert. De facto gehören beide koalitionären Bereiche des Kanzleramts dazu. Weil es sich aber grafisch besser darstellen lässt, firmieren in der schönen neuen Kommunikationsstrategie sogar die Staatssekretariate als Bundesministerien.
Langer Schreibe kurzer Sinn: Dem Verkündungsaufwand muss rasch das Gestalten folgen. Kommunikation braucht Inhalt. Noch keine Regierung hat diese Latte so hoch gelegt wie dieses Kabinett. Kurz steht vorerst nur für Kommunikation.
Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.