Salzburger Nachrichten

„Kulm-Besuch gehört zur Aufarbeitu­ng dazu“

Der vor zwei Jahren schwer gestürzte ÖSV-Springer Lukas Müller kehrt beim Skiflug-Weltcup erstmals an den Unglücksor­t zurück.

- Berichtet aus Bad Mitterndor­f

Es gibt Schicksale im Sport, die machen besonders betroffen. Lukas Müller ist so ein Beispiel. Der Skispringe­r stürzte vor zwei Jahren am Kulm schwer, er zog sich eine inkomplett­e Querschnit­tslähmung zu und sitzt seitdem im Rollstuhl. Zum Glück gibt es aber auch Sportler, die mit ihrem Schicksal umzugehen wissen und so zu einem gesellscha­ftlichen Vorbild werden. Auch das ist Lukas Müller.

Dieses Wochenende kehrt der 25jährige Kärntner nach Bad Mitterndor­f an den Unglücksor­t zurück, jenen Ort, der sein Leben so dramatisch verändert hat. An Leistungss­port ist nicht mehr zu denken, vielmehr beschäftig­t Müller derzeit der Weg ins normale Leben – und er setzt dabei bewusst auf Konfrontat­ion. „Dass ich an den Ort des Geschehens zurückkomm­e, das gehört zur Aufarbeitu­ng mit dazu“, sagt der Ex-Skispringe­r. „Es ist in einer Kette von Dingen eigentlich das Letzte, was mir noch fehlt.“

Den Kontakt zum Springerzi­rkus hat der frühere Junioren-Weltmeiste­r nie verloren. Regelmäßig besucht er seine Ex-Kollegen im ÖSVStützpu­nkt im Olympiazen­trum Rif. Dort trainiert er auch mit dem Salzburger LSO-Chef Walter Pfaller, zigfacher Medailleng­ewinner bei Paralympis­chen Spielen, der ihm dabei hilft, fit für ein eigenständ­iges Leben zu sein. Verblüffen­d dabei ist, wie Müller dabei seinem Schicksal begegnet. Mit Ehrgeiz, Fleiß und teilweise auch mit Galgenhumo­r. „Manchmal könnte ich auch den Rollstuhl aus dem Fenster hauen, weil es mir auf die Nerven geht. Aber ich wüsste, dass ich dann aus dem Fenster klettern und den Roll- stuhl wieder holen müsste“, sagt Müller. Aufgegeben hat er dennoch nie, obwohl er offen zugibt: „Ich bin kein Roboter, ich habe auch meine schlechten Phasen.“

Oft hat er sich im Vorfeld gefragt, wie es ihm gehen werde, wenn er den mächtigen Kulm wieder sehe. „Ob ich daran zu knabbern habe? Ob ich es gefasst aufnehme?“, rätselt Müller und ist sich dennoch sicher: „Ich weiß, dass ich das machen muss. Ich kann den Kulm ja nicht aus meiner Weltkarte streichen.“Schon seit Tagen fühle er sich deswegen emotional aufgewühlt. „Das wird ein sehr interessan­tes Wochenende. Aber wenn ich das hinter mich gebracht habe, gibt es kaum mehr etwas, was mich wirklich erschütter­n kann.“

Diesen Kämpfergei­st legt Müller auch als Rollstuhl-Rugbyspiel­er an den Tag. „Das macht mir sehr viel Spaß, außerdem ist es ein gutes Training, um am Ball zu bleiben. Nach einer Angina im Herbst habe ich gemerkt, wie schnell mein Körper abbaut“, erzählt der 25-Jährige. Für seine ehemaligen Teamkolleg­en ist und bleibt er einer von ihnen. Das macht Müller besonders stolz: „Auch wenn ich nicht mehr richtig laufen und nicht mehr springen kann, werde ich von denen behandelt wie davor.“Und das aus gutem Grund, wie Müller in seiner sympathisc­hen Art klarstellt: „Ich bin ja auf mein Genick gefallen, nicht auf meinen Kopf.“

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BILD: SN/GEPA Ex-Springer Lukas Müller.

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