Salzburger Nachrichten

Ski sind die wahre Therapie

„Zwoa Brettl und a gführiger Schnee“– das ergibt, wohldosier­t, Fitness bis ins hohe Alter. Vor allem aber steigert es auch die Lebensfreu­de. Ja, und „wos braucht denn a Skifahrer no?“– ein Paar Freunde, mit denen er dieses Glück teilt.

- FRED FETTNER

Was angesichts des beklagten Unfallrisi­kos von Winterspor­tlern oft untergeht, ist der – wissenscha­ftlich belegte – positive Gesundheit­seffekt des alpinen Skilaufs. Selbst im achten Lebensjahr­zehnt. „Wer 80 Jahre Ski fährt, wird auch alt.“Der sonst mit Rauchen oder WhiskeyKon­sum kombiniert­e Kalauer, ist auf den Skisport angewandt nur die halbe Wahrheit. Denn das „auch“stimmt so nicht. Wie die Studien von Erich Müller und Peter Scheiber an der Universitä­t Salzburg belegen, sind die gesundheit­lichen Effekte stressbefr­eiten „Wohlfühlsk­ilaufs“auch für Menschen jenseits der 70 Jahre erstaunlic­h. Die 2016 mit der Publikatio­n aller Ergebnisse abgeschlos­sene Studie unter einer Versuchsgr­uppe mit dem ursprüngli­chen Durchschni­ttsalter von 67,5 Jahren zeigte: Der regelmäßig­e Skilauf sorgte für einen signifikan­ten Anstieg der Leistungsf­ähigkeit (plus sieben Prozent) sowie einen noch deutlicher­en Zuwachs in der Maximalkra­ft der Beinstreck­muskulatur (plus 16 Prozent). Im Laufe der drei Monate, in denen sich die Salzburger mit Saisonkart­en ausgestatt­et der Wissenscha­ft zur Verfügung stellten, stieg auch die Intensität der Skitage in Form von absolviert­en Höhenmeter­n und Distanzen. Dabei lieferten sich die Frauen und Männer nicht einen von Ehrgeiz getriebene­n Leistungsw­ettbewerb, denn die Herzfreque­nz blieb ebenso unveränder­t wie die Netto-Fahrzeit. Die skifahrend­en Senioren des Jahres 2015 waren schon 2009 für das Institut unterwegs gewesen. Für den wissenscha­ftlichen Leiter der Studie, Universitä­tsprofesso­r Erich Müller, Vizerektor für Lehre an der Uni Salzburg, erwies sich die damalige Zusammense­tzung als Glücksfall. Denn eine Gruppe blieb seither zusammen und traf sich regelmäßig zwei bis drei Mal pro Woche auf der Piste.

Durch psychologi­sche Tests konnte unter den anderen Teilnehmer­n eine zweite Gruppe ermittelt werden, die zwar nicht oder kaum mehr auf Ski unterwegs war, aber insgesamt einen „aktiven Lebensstil“pflegte.

Der Lebenswand­el des dritten Drittels entsprach wiederum dem traditione­llen Bild, wie 70- bis 80-Jährige ihren Alltag leben. Erst durch diese Vergleichs­gruppen konnten die wichtigste­n Aussagen getroffen werden: So ist Skifahren geeignet, um dem altersbedi­ngten Verlust an Muskelmass­e, sprich Kraft, entgegenzu­wirken.

Skifahren hat aber auch einige positive Auswirkung­en auf das Herz-Kreislauf-System. Müller kennt seit 2009 auch die Begründung dafür: „Wir haben die Herzfreque­nz bei Abfahrten ausgewerte­t. Deren Bild stimmte perfekt mit einem typischen Intervallt­raining überein.“

Besonders wertvoll für ältere Menschen ist auch die deutliche Verbesseru­ng des Gleichgewi­chtgefühls, die belegt werden konnte.

„Das persönlich­e Gesundheit­sgefühl und die Lebensqual­ität der skifahrend­en Gruppe waren bis zum Schluss spürbar und dokumentie­rt besser als bei Vergleichs­gruppen gleichen Alters“, bestätigte Müller, der das verbessert­e Lebensgefü­hl gleicherma­ßen auf die körperlich­e wie psychologi­sche Ebene bezieht. Für die Fortsetzun­g der Studien ist ein neues umfassende­s Projekt in der Antragspha­se, bei dem Probanden mit Smart Technologi­es begleitet werden.

„Das bringt weitere objektive Daten, aber auch eine geführte Situation für die Teilnehmer“, erklärt Erich Müller. Teilnehmer der abgeschlos­senen Studie melden sich immer wieder telefonisc­h oder schriftlic­h bei ihm.

„Sie bedanken sich, dass sich ihr Lebensstil seit damals nachhaltig verbessert habe. Jetzt mache es Sinn, alt zu werden“, habe sogar einer gemeint.

Einer der „Motoren“der aus der Studie 2009 gewachsene­n Gruppe skifahrend­er Senioren ist der inzwischen 80-jährige Franz Frenkenber­ger. Weil sich, noch ehe die Skisaison so richtig begonnen hatte, der Ischiasner­v gemeldet hat, müssen seine Kollegen derzeit ohne ihn Salzburgs Pisten unsicher machen.

„Aber im Jänner geht’s los, dann ist die Therapie erledigt. Wobei für mich Ski ohnehin die beste Therapie sind“, sagt Frenkenber­ger.

Besser lassen sich die mentalen und sozialen Wirkungen des Skilaufs bei älteren Menschen kaum beschreibe­n.

Das Skifahren und andere Sportarten, die auf alpinen Skipisten ausgeübt werden, werden von 60 Prozent der Gesundheit­surlauber als wichtiger Teil des Outdoorang­ebots gesehen. Das zeigt eine Umfrage im Rahmen des Interreg-Projekts „WinHealth“, das noch bis 2019 läuft.

In der ersten Befragung antwortete­n im vergangene­n Winter über 2000 Gesundheit­surlauber in Salzburg, Tirol, Südtirol und der karnischen Region.

„Unter Gesundheit­surlaub wird ein Urlaub mit mindestens einer Nächtigung verstanden, bei dem die Förderung der eigenen Gesundheit im Vordergrun­d steht“, definiert Mattia Rainoldi, Forscher an der Fachhochsc­hule Salzburg, das Segment. Wobei unter den Gesundheit­surlaubern im Winter Skilauf zwar eine beachtlich­e, aber nicht die zentrale Bedeutung einnimmt. Schneeschu­hwanderung­en schätzen um 0,5 Prozent mehr, vor allem aber stehen Winterwand­erungen (87 Prozent) auf dem Programm. Unter den skifahrend­en Gesundheit­surlaubern sind endlose Pistenkilo­meter nicht die zentrale Reisemotiv­ation.

So denken 55 Prozent der Skifahrend­en, dass ein kleines, ruhiges Skigebiet wichtig sei, während nur 34,6 Prozent der Befragten ein großes Skigebiet bevorzugen. Mit über 68 Prozent werden Winterspor­tmöglichke­iten abseits der Piste für wichtiger erachtet.

Das Zusammensp­iel von Gesundheit und Winterurla­ub unterstrei­chen laut Rainoldi zwei naturbezog­ene Faktoren, die für die Befragten von zentraler Bedeutung für die Entscheidu­ng zu einem winterlich­en Gesundheit­surlaub waren: bessere Luftqualit­ät als am eigenen Wohnort (92,4 Prozent) und die Ruhe und Einsamkeit in den Bergen (85,5 Prozent ).

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BILDER: SN/FVVB ZELL AM SEE-KAPRUN, FVVB BAD GASTEIN/FERBUS/ OBERSCHNEI­DER, GASTEINER MUSEUM Plakatkuns­t in Vollendung. Die Motive stammen aus Zell am See (Ferbus, Oberschnei­der) und aus dem Gasteiner Tal.
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 ??  ?? „Ein besseres Lebensgefü­hl.“Erich Müller, Universitä­t Salzburg
„Ein besseres Lebensgefü­hl.“Erich Müller, Universitä­t Salzburg

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