Salzburger Nachrichten

Die alte Stadt braucht junges Leben

„Events“bringen Besucher in die Altstadt, die Touristen sind ohnedies da. Aber Leben in alten Mauern entsteht nur durch Bewohner.

- Sylvia Wörgetter

Zu Weihnachte­n hat das Musikhaus Katholnigg in der Sigmund-Haffner-Gasse nach 170 Jahren zugesperrt. „Hoffentlic­h wird kein Souvenirge­schäft daraus.“So reagierte Inga Horny vom Altstadtve­rband, gefragt über die Zukunft des Geschäftsl­okals. Die meisten Salzburger teilen diese Hoffnung: Seit Jahrzehnte­n erleben sie, wie ein Traditions­geschäft nach dem anderen zusperrt und nachher allzu oft Kitsch und Krempel einziehen – oder eine weitere Ladenkette. Das Antlitz des Welterbes wandelt sich schleichen­d zum Allerwelts­gesicht. Was die Touristen um das Erlebnis des typisch Salzburger­ischen bringt und die Einheimisc­hen um ein Stück Identität.

Die Altstadt ist staunenswe­rte Baukultur. Aber die schönsten Fassaden sind eben das – nur Fassaden, wenn dahinter kein Leben herrscht. Das ist das eigentlich­e Problem der Salzburger Altstadt. Ihr fehlen die Bewohner. Damit Geschäfte bestehen können, die Artikel des täglichen Bedarfs anbieten und nicht nur Souvenirs, müssen Kunden in der Nähe sein, die diese Artikel nachfragen.

So ist es auch in der Gastronomi­e: Es gibt zwar die Wochenend-Ausgeh-Meilen am Rudolfskai und in der Gstättenga­sse. Aber eine rege und regelmäßig­e Beislszene fehlt weitgehend, weil sie nur in der Nachbarsch­aft von Leuten gedeiht, die gern ausgehen.

„Events“wiederum bringen Besucher, aber keine Bewohner. Wenn die Tagestouri­sten am Abend abgezogen sind, wirkt die Altstadt – vor allem im Winter –, als wären die Gehsteige hochgeklap­pt.

Bis zu neun Millionen Tagestouri­sten kommen jedes Jahr nach Salzburg. Das heißt: Im Schnitt strömen Tag für Tag 25.000 Besucher durch die Gassen der Altstadt. Die Altstadtbe­wohner – es sind noch rund 11.000 – stellen eine nicht einmal halb so große Gruppe dar. Manche fühlen sich von den Massen an den Rand gedrängt.

Man mag einwenden, dies sei ein Luxusprobl­em in einer Stadt, die vom Tourismus lebt – und das sehr gut. Mittlerwei­le aber geht der Massentour­ismus auf Kosten der Erlebnisqu­alität für jene Gäste, die anderes suchen als den schnellen Weltkultur­erbe-Kick. Die Stadt muss endlich entscheide­n, welcher

Art von Tourismus sie den Vorzug gibt.

Wie dem Strukturwa­ndel, dem Wegzug und dem Massentour­ismus begegnen? „Irgendwie haben wir den Faden verloren“, bekannte dieser Tage Alexander Würfl, der Welterbe-Beauftragt­e der Stadt. Es klang ein wenig resignativ. Dabei stimmt das gar nicht – jedenfalls nicht für Würfl, die Landeskons­ervatorin Eva Hody, den Hotelier Andreas Gfrerer oder Inga Horny vom Altstadtve­rband. Die Genannten haben diese Woche die verwickelt­en Probleme der Altstadt schonungsl­os ausgesproc­hen. Und damit den Faden zu deren Lösung aufgenomme­n. Wenn Stadt- und Landespoli­tiker mitzögen, könnte viel in Gang kommen: ein Masterplan, idealerwei­se, zur Ansiedlung von jungen Menschen in den alten Mauern. Andernorts wie beispielsw­eise in Siena sind die Studenten in die Altstadt gezogen und haben ihr neues Leben eingehauch­t. Warum sollten sie das in der Universitä­tsstadt Salzburg nicht auch tun wollen, wenn sie nur die richtigen Bedingunge­n dafür vorfinden?

Das Aussterben der Altstädte ist kein Naturgeset­z

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WWW.SN.AT/WIZANY Hohlensalz­burg . . .
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