Die alte Stadt braucht junges Leben
„Events“bringen Besucher in die Altstadt, die Touristen sind ohnedies da. Aber Leben in alten Mauern entsteht nur durch Bewohner.
Zu Weihnachten hat das Musikhaus Katholnigg in der Sigmund-Haffner-Gasse nach 170 Jahren zugesperrt. „Hoffentlich wird kein Souvenirgeschäft daraus.“So reagierte Inga Horny vom Altstadtverband, gefragt über die Zukunft des Geschäftslokals. Die meisten Salzburger teilen diese Hoffnung: Seit Jahrzehnten erleben sie, wie ein Traditionsgeschäft nach dem anderen zusperrt und nachher allzu oft Kitsch und Krempel einziehen – oder eine weitere Ladenkette. Das Antlitz des Welterbes wandelt sich schleichend zum Allerweltsgesicht. Was die Touristen um das Erlebnis des typisch Salzburgerischen bringt und die Einheimischen um ein Stück Identität.
Die Altstadt ist staunenswerte Baukultur. Aber die schönsten Fassaden sind eben das – nur Fassaden, wenn dahinter kein Leben herrscht. Das ist das eigentliche Problem der Salzburger Altstadt. Ihr fehlen die Bewohner. Damit Geschäfte bestehen können, die Artikel des täglichen Bedarfs anbieten und nicht nur Souvenirs, müssen Kunden in der Nähe sein, die diese Artikel nachfragen.
So ist es auch in der Gastronomie: Es gibt zwar die Wochenend-Ausgeh-Meilen am Rudolfskai und in der Gstättengasse. Aber eine rege und regelmäßige Beislszene fehlt weitgehend, weil sie nur in der Nachbarschaft von Leuten gedeiht, die gern ausgehen.
„Events“wiederum bringen Besucher, aber keine Bewohner. Wenn die Tagestouristen am Abend abgezogen sind, wirkt die Altstadt – vor allem im Winter –, als wären die Gehsteige hochgeklappt.
Bis zu neun Millionen Tagestouristen kommen jedes Jahr nach Salzburg. Das heißt: Im Schnitt strömen Tag für Tag 25.000 Besucher durch die Gassen der Altstadt. Die Altstadtbewohner – es sind noch rund 11.000 – stellen eine nicht einmal halb so große Gruppe dar. Manche fühlen sich von den Massen an den Rand gedrängt.
Man mag einwenden, dies sei ein Luxusproblem in einer Stadt, die vom Tourismus lebt – und das sehr gut. Mittlerweile aber geht der Massentourismus auf Kosten der Erlebnisqualität für jene Gäste, die anderes suchen als den schnellen Weltkulturerbe-Kick. Die Stadt muss endlich entscheiden, welcher
Art von Tourismus sie den Vorzug gibt.
Wie dem Strukturwandel, dem Wegzug und dem Massentourismus begegnen? „Irgendwie haben wir den Faden verloren“, bekannte dieser Tage Alexander Würfl, der Welterbe-Beauftragte der Stadt. Es klang ein wenig resignativ. Dabei stimmt das gar nicht – jedenfalls nicht für Würfl, die Landeskonservatorin Eva Hody, den Hotelier Andreas Gfrerer oder Inga Horny vom Altstadtverband. Die Genannten haben diese Woche die verwickelten Probleme der Altstadt schonungslos ausgesprochen. Und damit den Faden zu deren Lösung aufgenommen. Wenn Stadt- und Landespolitiker mitzögen, könnte viel in Gang kommen: ein Masterplan, idealerweise, zur Ansiedlung von jungen Menschen in den alten Mauern. Andernorts wie beispielsweise in Siena sind die Studenten in die Altstadt gezogen und haben ihr neues Leben eingehaucht. Warum sollten sie das in der Universitätsstadt Salzburg nicht auch tun wollen, wenn sie nur die richtigen Bedingungen dafür vorfinden?
Das Aussterben der Altstädte ist kein Naturgesetz