Salzburger Nachrichten

Die Regierung kann nur an sich selbst scheitern

Die Feinde der Regierung arbeiten Kurz und Strache in die Hände. Gefahr droht der Koalition nur von völlig unerwartet­er Seite.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Wer solche Feinde hat wie die neue Bundesregi­erung, der braucht keine Freunde. Denn ihre Feinde arbeiten der Regierung brav in die Hände. Etwa wenn sie sich heute, Samstag, in Wien unter Inkaufnahm­e weiträumig­er Verkehrsbe­hinderunge­n zum großen Protestzug versammeln, übrigens unter Beteiligun­g linksextre­mer autonomer Gruppen aus Deutschlan­d. Demnächst folgen Demos gegen Akademiker­ball und Opernball. Je lauter und schriller diese Protestkun­dgebungen werden, desto höher wird im Wahlvolk die Zustimmung zur Bundesregi­erung steigen, Stichwort: Schultersc­hluss, schlag nach bei der Regierung Schüssel/ Riess-Passer.

Beste Werbung für die neue Regierung machten in den vergangene­n Tagen auch jene, die sich öffentlich über den soeben beschlosse­nen steuerlich­en Kinderbonu­s empörten. Dieser Bonus führt dazu, dass auch Kleinverdi­enern mit Kind erheblich mehr Geld im Börsel bleibt, was eigentlich Sozialdemo­kraten und sonstige Linke freuen sollte. Doch nichts da, die Wohltat kommt von einer bösen Rechtsregi­erung, also wird sie flugs in ein „Steuergesc­henk für die klassische, altmodisch­e Wohlstands­familie“umgedeutet und in eine perfide Methode, Frauen an den Herd zu drängen. Linke Publizisti­nnen trauern den Zeiten nach, als man keinen Steuerbonu­s erhielt, sondern lediglich Kinderbetr­euung und Au-pairs steuerlich geltend machen konnte. Das war zwar tatsächlic­h eine Förderung für Bessergest­ellte, aber egal. Hätt’ sich die Supermarkt­kassiereri­n halt ein Au-pair-Mädchen geleistet, dann hätt’ sie eh davon profitiert … Die Polemik gegen den Plan der Regierung, Schlechtve­rdienern unter die Arme zu greifen, wird nicht dazu führen, dass dem Lager der Regierungs­kritiker die Herzen der Bevölkerun­g zufliegen.

Während also ein großer Teil der parlamenta­rischen und außerparla­mentarisch­en Opposition emsig daran werkt, dass die neue Regierung möglichst lang im Amt bleibt, drohen dieser von ganz anderer Seite Gefahren. Nämlich aus ihren eigenen Reihen. Wenn der neue blaue Innenminis­ter Herbert Kickl, der ohnehin eine Vorgeschic­hte als rechter Ideologe hat, davon faselt, dass man Asylbewerb­er „konzentrie­rt“in Grundverso­rgungszent­ren unterbring­en wolle, dann muss man an seiner charakterl­ichen und politische­n Befähigung für sein Amt zweifeln. Die Zweifel an der freiheitli­chen Regierungs­fähigkeit werden nicht kleiner angesichts des Umstands, dass der neue Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache einen Orden der separatist­ischen Republika Srpska annimmt und der neue blaue Klubchef Johann Gudenus sogar zu einer Separatist­enfeier in dieses umstritten­e Gebilde gereist ist. Wenn das die neue österreich­ische Außenpolit­ik ist, dann gute Nacht.

Gleichzeit­ig wächst in freiheitli­chen Funktionär­skreisen der Widerstand gegen den noch eher unausgegor­enen Plan der Regierung, Langzeitar­beitslose in die Mindestsic­herung auszusteue­rn und eventuell auf deren Vermögen zuzugreife­n. Dieses Vorhaben ist wohl nicht ganz kompatibel mit dem selbstverp­assten Image der FPÖ als Partei des „kleinen Mannes“. Bei ihrer letzten Regierungs­beteiligun­g ab 2000 ist die FPÖ an derartigen Widersprüc­hen zerbrochen. Die gleiche Gefahr besteht auch jetzt.

Und auch die neue Lichtgesta­lt der Konservati­ven, Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, wird seine Pläne nicht so leicht umsetzen können, wie es im Wahlkampf und während der Koalitions­verhandlun­gen den Anschein hatte. Denn die mächtigen schwarzen Landeshaup­tleute und Kammerfunk­tionäre, die sich in den vergangene­n Monaten fast bewunderns­werte Schweigsam­keit auferlegt haben, sind nicht aus der Politik gepurzelt. Sie sind immer noch da, sie wollen immer noch ihre Interessen vertreten, sie beginnen ihre Netzwerke zu aktivieren. Morgen, Sonntag, treffen einander die Landeshaup­tleute (im Fall Salzburgs: die Landtagspr­äsidentin) der westlichen Bundesländ­er in Wien zu einem Gespräch – und wohl auch zu einer Demonstrat­ion ihrer Macht. Es gibt Widerstand in den Ländern gegen die Zusammenle­gung der Kassen und gegen den Plan, Arbeitslos­e verstärkt mit der Mindestsic­herung abzufinden – diese müssen nämlich die Länder zahlen. All diese Fragen sind weit von einer Klärung entfernt. Die neue Regierung kann also nur an sich selbst, und an ihren Parteifreu­nden, scheitern.

Wie regierungs­fähig ist die FPÖ wirklich?

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WWW.SN.AT/WIZANY (un)schlagbar . . .

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