Welt(all)geschichte im Speed-Tempo
Voll aufgedreht und ziemlich durchgedreht auch: „Das Knurren der Milchstraße“im Kunstquartier.
SALZBURG. Muss man ja nicht immer alles verstehen, was junge Autoren so zusammendenken für die Bretter, die die Welt bedeuten. Im Kunstquartier des Mozarteums genügt es schon, wenn ein zehnköpfiger Abschlussjahrgang des Schauspiels zehn annähernd gleichwertige (Monolog-)Rollen hat, um das je eigene Profil schärfen zu können. Auch wenn „Der fassungslose Kim Jong-Un“, der – aktueller geht’s fast nicht – die beiden Koreas wiedervereinigen will, bei der Generalprobe krankgemeldet war (für ihn „soufflierte“die Berliner Regisseurin und Schauspielerin Anita Vulesica in rasender Sprechakrobatik), blieben doch noch neun weitere Jungmiminnen und -mimen, die Bonn Parks „Knurren der Milchstraße“zu einem ganz eigenen Sound verarbeiteten.
Nach der von dem jungen Autor in Bielefeld selbst besorgten Uraufführung seines Stücks, für das der Deutsch-Koreaner 2017 (aktueller geht’s fast nicht) den Siegerpreis des Berliner Stückemarkts erhielt, hagelte es zwar einige harsche Verrisse. Zu platt sei dieser Comedy-Comic-Strip, in dem außer besagtem Nordkoreaner noch „Der ernüchterte Donald Trump“, „Die traurige Angela Merkel“, „Die fette Heidi Klum“und „Vielleicht nicht Manuel Neuer“auftreten, aber auch die gute, alte Kassandra, eine „gelassene Giraffe“und der Autor höchstselbst („Der wütende Bonn Park aus der Zukunft“).
Schauplatz ist das Weltall. Wir wären in einem Raumschiff, das eine andere Perspektive auf unsere Welt zulässt. Im Kunstquartier dreht sich stattdessen eine gutbürgerlich braune (Show-)Treppe eher behaglich als sphärisch, und die Figuren sind lauter schräge, schrille, trashige Typen ohne Raumfahrer-Appeal.
Vielleicht ist ja dieser Zugriff günstiger, um besser abheben zu können. Jedenfalls entfesselt Regisseurin Anita Vulesica, die schon vor 2015 Marianna Salzmanns „Weltrettungsauftrag“zu einer spielwütigen HochdruckRevue umformte, alle Temperamente ihrer Eleven, auf dass sie unter ständigem Rhythm ’n’ Drive explodieren können. Ob im einzelnen Frontalangriff oder im chorischen Schleudergang: Man kommt auch als Zuschauer ins Schwitzen. Und, wie gesagt: Man muss ja auch nicht immer alles verstehen, was junge Autoren (oder ihre jungen Schauspieler) sich so alles zusammendenken. Das Theater ist jedenfalls als Sprech-Sprach-Sound-Maschine angeworfen. Voll aufgedreht. Voll abgedreht. Und ja, ziemlich durchgedreht auch. Theater: „Das Knurren der Milchstraße“von Bonn Park. Theater im Kunstquartier, 26., 27. 1.; 1., 2. 2.
„Neulich wollte ich die beiden Koreas wieder vereinen.“„Der fassungslose Kim Jong-Un“