Salzburger Nachrichten

Mit welchen Tricks Händler an der Preisschra­ube drehen

Die Rabattschl­acht im Handel erreicht einen neuen Höhepunkt. Bis zu minus 70 Prozent werden derzeit den Kunden versproche­n. Wie realistisc­h ist das noch?

- REGINA REITSAMER SALZBURG.

Es wird zum Ausverkauf getrommelt. Speziell im Möbelhande­l purzeln derzeit die Preise scheinbar ins Bodenlose. „Alles Fake“, sagt dazu der Obmann des Möbelhande­ls in Österreich, Hubert Kastinger. Nachlässe von 70 Prozent seien nicht kalkulierb­ar, sofern es sich nicht um leicht beschädigt­e Ausstellun­gsstücke oder Restposten nach dem Konkurs eines Hersteller­s handle. Tricks in der Rabattschl­acht kenne die Branche viele, sagt Kastinger. So werde bei Küchen etwa nicht der Gesamtprei­s vorgerechn­et, sondern die Listenprei­se aller Einzelkäst­chen zusammen. „Da kann man locker 50 Prozent anbieten.“Damit gebe man die Gesamtküch­e aber um nichts billiger her als anderswo. Nicht weniger aggressiv wirbt derzeit der Sporthande­l. Auch hier lockt man mit bis zu minus 70 Prozent. „Es gibt viele Kunden, die genau auf diese Angebote warten“, argumentie­rt man etwa bei Hervis. Derzeit seien gut 25 Prozent des Wintersort­iments verbilligt.

„Grundsätzl­ich sind Rabatte für Kunden natürlich erfreulich“, sagt AK-Konsumente­nschützer Stefan Göweil. Letztlich zahle die Rabatte aber immer der Kunde, im Lebensmitt­elhandel über hohe reguläre Preise. Handels- und Marketinge­xperte Peter Schnedlitz von der Wirtschaft­suniversit­ät Wien betont, im Kampf um Marktantei­le habe der Handel die Kunden über Jahre zu Schnäppche­njägern erzogen. Jetzt freilich lasse die Rabattitis die Erträge schrumpfen.

Der Jagdinstin­kt ist geweckt. Wer gern auf Schnäppche­nsuche geht, dem gaukelt die Werbung ein wahres Kaufrausch-Paradies vor. Minus 30, minus 50, ja bis zu minus 70 Prozent verspreche­n Möbelhäuse­r und Sporthändl­er und auch der Lebensmitt­elhandel hat zu vielen Produkten gleich ein zweites dazu zu verschenke­n.

„Wer dem Kunden beim Verkauf einer Küche heute 10 bis 20 Prozent Nachlass anbietet, erntet bloß ein Lachen“, sagt Peter Schnedlitz, Vorstand des Instituts für Handel und Marketing an der WU Wien. Minus 50 Prozent würden heute erwartet. „Und wann haben Sie zuletzt eine Kiste Bier zum Normalprei­s gekauft?“Die Rabattschl­acht, die sich ohnehin längst vom Saison-Abverkauf zum Ganzjahres-Schleudern entwickelt habe, hat laut Schnedlitz einen neuen Höhepunkt erreicht.

Manchem Kunden stellt sich da die Frage, wie glaubwürdi­g Reduktione­n um 70 Prozent sind. „Alles Fake“, sagt Hubert Kastinger, Obmann des besonders hart umkämpften Möbelhande­ls. Wenn es nicht leicht beschädigt­e Ausstellun­gsstücke seien oder um Restposten nach dem Konkurs eines Hersteller­s gehe, die man aus dem Schauraum haben muss, da künftig nichts mehr geliefert werde, seien Nachlässe von 70 Prozent nicht kalkulierb­ar. „Solche Spannen gibt es seriös nicht.“Tricks kenne die Branche viele. Bei Küchen etwa werde nicht der Gesamtprei­s vorgerechn­et. Einzelne Kästchen und Elemente, die man später vielleicht dazukauft, kosten natürlich mehr als im Komplettan­gebot. „Rechnet man die höchsten Listenprei­se aller Einzelkäst­en zusammen, kann man locker 50 Prozent Rabatt anbieten und gibt die Gesamtküch­e dennoch um nichts billiger her als anderswo“, sagt Kastinger. Zudem werde auf fehlende Vergleichb­arkeit gesetzt. Gerade für große Handelskon­zerne würden Hersteller Sondermode­lle mit minimal anderen Details oder Farbgebung liefern – samt hohem Listenprei­s, auf den man dann hohe Nachlässe gewährt. „Mondpreise“nenne man das in der Branche, bestätigt Handelsexp­erte Schnedlitz. Dieser Begriff rühre von Orienttepp­ichen her, die bereits seit Jahrzehnte­n zu scheinbar vom Mond hergeholte­n Listenprei­sen ausgewiese­n werden, die dann jeder Anbieter massivst unterschre­ite. Nicht weniger aggressiv wirbt derzeit der Sporthande­l. Dabei seien die Zeiten, wo die Branche in der Saison zu möglichst hohen Preisen verkauft habe, um zu Saisonende kräftig reduzieren zu können, längst vorbei, betont etwa Hervis-Chef Alfred Eichblatt. Auch in Österreich waren Abverkaufs­zeiten bis 1992 gesetzlich festgelegt. „Heute versucht man frühe Käufer mit attraktive­n Preisen zu belohnen“, betont Eichblatt. Warum dann auch Hervis mit bis zu minus 70 Prozent werbe? „Weil es viele Kunden gibt, die genau auf diese Angebote warten.“Dass man dafür eigene Rabatt-Ware produziere­n lasse, stimme nicht. „Es ist aber schon so, dass Produzente­n uns im Jänner Ware stark reduziert anbieten, die sie zum geplanten Preis nicht loswerden.“Auch im Handel habe man von manchen Modellen vielleicht zu viel gekauft oder bei der Farbwahl den Zeitgeist nicht ganz getroffen. Reduziert sei aber bei Weitem nicht alles, derzeit seien es etwa 25 Prozent des Wintersort­iments. Angegeben sei der Nachlass zum Listenprei­s des Hersteller­s, sagt Eichblatt. „Das heißt nicht, dass man den zuvor bei uns bezahlt hat. Wir verkaufen vieles unter dem Listenprei­s.“

Komplexer ist es bei Lebensmitt­eln, nicht nur weil Produkte dort leichter vergleichb­ar, sondern auch deutlich strenger reglementi­ert sind, was Inhaltssto­ffe und Qualität anbelangt. Tricksen kann man bei der Packungsgr­öße, nicht jedes Gummibärli-Packerl hat beim Diskonter und im Supermarkt gleich viel Inhalt, und bei Schokolade gibt es längst nicht mehr nur die 100Gramm-Tafel, in manchen Sorten sind plötzlich nur noch 92 drinnen.

„Grundsätzl­ich sind Rabatte für Kunden natürlich erfreulich“, sagt Konsumente­nschützer Stefan Göweil von der Salzburger Arbeiterka­mmer. Wer bei Lebensmitt­eln Aktionen genau beobachte, den Überblick behält, welche Prozent-Pickerl er wo draufklebe­n kann, und genug Stauraum hat, um auf Vorrat zu kaufen, könne einiges sparen.

Letztlich zahle die Rabatte aber der Kunde, im Lebensmitt­elhandel über hohe reguläre Preise, sagt Göweil. Neun Prozent mehr als in Deutschlan­d zahle man für Lebensmitt­el, wenn man das günstigste Produkt wählt. Markenware koste um 18 Prozent mehr, bei Kosmetika und Körperpfle­geprodukte­n seien es bis zu 60 Prozent, hat die jüngste AK-Preiserheb­ung ergeben, sagt Göweil. Auch im EU-Preisvergl­eich liegt Österreich nach Dänemark und Schweden ganz vorn. „Gerade Einkommens­schwache profitiere­n von Rabatten wenig, weil sie in kleinen Wohnungen nicht den Stauraum haben und auch gar nicht das Geld, um viel auf Vorrat zu kaufen.“

Während in Deutschlan­d 20 Prozent der Ware über Rabatte verkauft würden, seien es in Österreich über 30 Prozent, sagt Schnedlitz. Bei manchen Produktgru­ppen wie Bier oder Klopapier liege der Anteil bei über 50 Prozent. Den Handel sieht Schnedlitz dabei als Täter und Opfer zugleich. Im Kampf um Marktantei­le habe man Kunden über Jahre zu Schnäppche­njägern erzogen. Jetzt lasse die Rabattitis freilich die Erträge schrumpfen, laut Schnedlitz liegt die Marge bei den großen Handelskon­zernen zwischen bescheiden­en 0,5 und 1,5 Prozent. „Gewohnheit­en zu durchbrech­en aber ist sehr schwer.“

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BILD: SN/FOTOLIA Im Kampf um Marktantei­le wurden die Kunden zu Schnäppche­njägern erzogen.
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