In der SPD regt sich Widerstand
Die geplante Neuauflage der GroKo ist umstritten. Auf Parteichef Martin Schulz wartet eine schwierige Woche.
Mit nur einer Stimme Mehrheit hat der SPD-Landesverband Sachsen-Anhalt am Wochenende den Ergebnissen der Sondierungsverhandlungen von Union und SPD eine Absage erteilt. Zuvor hatte Außenminister Sigmar Gabriel vergebens für ein Ja geworben. Durchgesetzt haben sich die Jusos mit ihrer No-GroKo-Kampagne, die sie unmittelbar nach Abschluss der Sondierungen am Freitag in Gang gesetzt hatten.
Für SPD-Chef Martin Schulz ist das Ergebnis bitter, auch wenn Sachsen-Anhalt beim Sonderparteitag am kommenden Sonntag nur sechs von 600 Delegierten stellen wird. Das Nein in Sachsen-Anhalt offenbart, wie sehr die Partei in der Frage einer neuen GroKo gespalten ist. Zu allem Unglück für den SPDChef ist es auch nicht der kleine Landesverband Sachsen-Anhalt allein, der Kritik übt. Auch an der Parteispitze regt sich Widerstand, nicht zuletzt bei denen, die mitverhandelt haben, wie etwa Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel. Der forderte schon einen Tag nach Ende der Sondierungen „an zentralen Punkten Korrekturen“.
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, forderten Nachbesserungen. „Ich sehe das sehr kritisch“, betonte Müller. Ihnen fehlen der Wechsel zu einer Bürgerversicherung sowie höhere Steuern für Reiche. Für Schulz hätte die Woche gar nicht schlechter beginnen können. Bis Sonntag muss er in zahlreichen Konferenzen die Parteibasis vom Erfolg der Sondierungsverhandlungen mit CDU/CSU überzeugen, damit ihm der Sonderparteitag am 21. Jänner grünes Licht für den Start von Koalitionsverhandlungen erteilt. Schulz gab sich am Wochenende optimistisch: „So wie ich selbst werden die Delegierten auf dem SPD-Parteitag nur durch Inhalte zu überzeugen sein“, betonte er. Als Erfolg bezeichnete er die Festschreibung des Pensionsniveaus und die höheren Investitionen in Bildung. Den Verzicht auf höhere Steuern für Besserverdiener begründete er damit, dass fast 90 Prozent der Bevölkerung künftig keinen Soli mehr bezahlen müssten.
Auf Unionsseite kamen die Forderungen nach Nachbesserungen naturgemäß nicht gut an. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt rief Schulz auf, den „Zwergenaufstand“in den Griff zu bekommen. Die SPD müsse jetzt zeigen, dass sie ein verlässlicher Koalitionspartner sein könne. Bayerns Finanzminister und designierter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lehnte Nachbesserungen rundum ab: „Die von allen Delegationen einstimmig beschlossene Sondierungsvereinbarung ist mit 28 Seiten doch schon fast ein Koalitionsvertrag.“
Während Bundeskanzlerin Angela Merkel die Koalitionsverhandlungen bis Mitte Februar beendet haben will, gibt es in der SPD offenbar noch erhebliche Zweifel, dass es überhaupt zu Gesprächen kommt. Malu Dreyer sieht nach wie vor „gute Gründe für eine Minderheitsregierung“, von der Merkel gar nichts hält. Und Berlins Michael Müller wollte Neuwahlen nicht ausschließen. Die aber könnten erst in Betracht gezogen werden, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft seien, wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Wochenende deutlich machte. Es werde zu Recht diskutiert, ob eine Minderheitsregierung in der gegenwärtigen Lage Europas der geeignete Beitrag zur Überwindung der europäischen Krise sei, sagte er. Kommt keine Koalition zustande, muss Steinmeier entscheiden, ob er einen Minderheitskanzler ernennt oder Neuwahlen ansetzt.
Bleibt die Frage, ob den Genossen klar ist, welche Folgen ein Erfolg der No-GroKo-Strategie der Parteilinken hätte. Schulz müsste zurücktreten und mit ihm die restliche Parteispitze, die ja ebenfalls für Koalitionsverhandlungen gestimmt hat.
In der Bevölkerung stößt die GroKo auf große Vorbehalte. 52 Prozent halten sie für „weniger gut“oder „schlecht“, ergab eine am Sonntag veröffentlichte Umfrage von Infratest Dimap.
„Schulz muss den Zwergenaufstand in den Griff bekommen.“